Seit 13. Juli 2020 gilt das Gesetz zum Schutz vor Konversionsbehandlungen. § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes definiert Konversionsbehandlung als „Behandlungen, die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder selbstempfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind“. Obwohl das Wort „Behandlung“ verwendet wird, ist damit keine objektive Eingrenzung auf solche Dienstleistungen gemeint, für die man eine Heilerlaubnis bedarf. Ganz im Gegenteil: Der ebenfalls übliche Begriff der Konversionstherapie wurde mit dem Ziel vermieden, dass nicht der falsche Eindruck entsteht, das Gesetz richte sich nur gegen Angehörige von Heilberufen. Damit wird deutlich, dass eine Konversionsbehandlung sowohl in Form einer Psychotherapie als auch in Form einer psychologischen Beratung nach Maßgabe des Gesetzes verboten ist. Das Verbot gilt trotz des Umstands, dass der ICD-11 ab 2022 Transgeschlechtlichkeit nicht mehr als Krankheit, sondern als „Geschlechtsinkongruenz“ aufführen wird.
Strafbarkeit ist an Personen – nicht an Professionen gebunden
Mithin richtet sich die Strafbarkeit auch nicht an bestimmte Professionen, sondern an alle Personen, die eine verbotene Konversionsbehandlung durchführen. Dieser Aspekt ist von Bedeutung, weil der Berufsstand, den der BDP vertritt, so gut wie gar nicht erwarten lässt, dass es hier zu verbotenen Konversionstherapien kommen könnte. Es handelt sich vielmehr um solche Personen, die sich eine Berufszugehörigkeit anmaßen, ohne dass dies zutrifft – und damit zugleich auch gegen die Strafvorschrift des § 132a StGB verstoßen.
Nur scheinbar irritierend ist, dass für Erwachsene eine Konversionstherapie nicht strafbar ist, wenn sich eine erwachsene Person ihr „ohne Willensmangel“ unterzieht. Erstens entfällt nur die Strafbarkeit. Das bedeutet, dass eine Konversionstherapie für Erwachsene ohne Willensmangel in keiner Weise durch das Gesetz irgendwie erlaubt, richtig oder rechtmäßig ist, sie ist nur nicht strafbar.
Zweitens ist auch ohne Willensmangel das, was Psychologinnen und Psychologinnen sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten fachgerecht anbieten, aus nachfolgend genannten Gründen nie eine Konversionsbehandlung. Pauschal kann gesagt werden, dass jede Konversionsbehandlung, auch jene, die nicht strafbar sein sollte, nicht nur nicht fachgerecht, sondern auch berufsrechtswidrig und nach hier vertretener Auffassung typischerweise sittenwidrig ist.
Abgrenzung psychologischer Dienstleistungen von Konversionstherapie(n)
Offensichtlich keine Konversionsbehandlung ist es, wenn in psychologischen Dienstleistungen Probleme mit den Patientinnen und Patienten bearbeitet werden, die sich angesichts der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität mit tatsächlicher oder empfundener Stigmatisierung ergeben. Berufsspezifisch erwähnenswert ist, dass Probleme mit der eigenen sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität seelische Probleme bereiten können, sei es subklinisch als Belastung, sei es oberhalb der Störungsschwelle als seelisches Leiden. Damit können eigene Probleme mit der eigenen sexuellen Orientierung Gegenstand einer psychologischen Beratung oder einer psychotherapeutischen Behandlung sein.
Eine Abgrenzung solcher psychologischen Dienstleistungen von der verbotenen Konversionstherapie ist unproblematisch und dürfte den Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten angesichts ihrer Kompetenzen keine Schwierigkeiten bereiten. Fachlich kann die Beratung oder Behandlung durchaus eine Herausforderung sein, rechtlich allerdings dürfte schon im fachlichen Standard der Diagnostik und Intervention kaum der Verdacht aufkommen, man betrachte die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität im Rahmen des beruflichen Handelns als „unnatürlichen Zustand“, den es zu bekämpfen gelte. Allenfalls als kurz- bzw. zwischenzeitliche Hypothese kann dies im Einzelfall nötig und sinnvoll sein, um die betroffene Person für die sich anschließende Beratung oder Behandlung besser zu erreichen; aber offensichtlich läge es fern jeder psychologischen Fachlichkeit, tatsächlich mit einem solchen Ausgangspunkt zu arbeiten. Der Anlass psychologischer Dienstleistung ist offensichtlich nie die sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität an sich, sondern das eigene Empfinden bzw. das eigene Verhalten dazu, sofern es für die betroffene Person problematisch sein sollte.
Autonomie der Patientinnen und Patienten steht immer im Vordergrund
Allen Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist kraft ihrer beruflichen Kompetenzen und ihres Berufsethos zudem klar, dass sich, selbst wenn im Laufe oder nach ihrer Dienstleistung eine Änderung der sexuellen Orientierung erfolgt, dies nie fachlich die Zielsetzung sein kann. Immer steht die Autonomie von Patientinnen und Patienten sowie Klientinnen und Klienten im Vordergrund: Sollte sich die sexuelle Orientierung ändern, dann, weil es die jeweilige Person selbst so will und sich im gesunden Zustand dazu entscheidet. Allenfalls wird dazu beigetragen, dass eine solche Entscheidung autonom, selbstbewusst, freiwillig und im gesunden Zustand von der Person getroffen werden kann – aber im Sinne des Gesetzesverbots darauf „gerichtet“ kann sie fachlich nicht sein.
Schutz potenzieller Opfer
Ebenfalls ist ohne Abgrenzungsprobleme eine Beratung oder Behandlung, die anlässlich der sexuellen Orientierung den Schutz Dritter zum Gegenstand hat: also potenzieller Opfer. Zunächst ist zu betonen, dass ein solcher Zusammenhang zwischen einer bestimmten sexueller Orientierung und dem Schutz potenzieller Opfer überhaupt nicht typisch oder genuin ist, sondern sich nur insoweit ergeben kann, wie er sich auch in vielen anderen Zusammenhängen ergeben kann. Mag es auch sein, dass eine sexuelle Orientierung von Klientinnen oder Klienten sowie von Patientinnen oder Patienten selbst im ersten Empfinden als Problem betrachtet wird, sie wird dadurch nicht zum Beratungs- oder Behandlungsgegenstand, sondern auch hier ist „nur“ das eigene Verhalten dazu der Gegenstand, allerdings fokussiert auf die Abwehr von Gefahren für potenzielle Opfer. Mithin haben auch Behandlungen bei Störungen der Sexualpräferenz (z. B. Exhibitionismus, Pädophilie) kein „Überschneidungsproblem“ mit einer verbotenen Konversionsbehandlung, denn § 1 Abs. 2 des Gesetzes nimmt solche Behandlungen explizit aus.
Thema sexuelle Orientierung in Gruppenkontexten
Schließlich lässt sich noch entfernt erwähnen, dass eine sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität einzelner Personen für Psychologinnen und Psychologen sowie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Gruppenkontexten relevant werden kann, z. B. wenn ein Team beraten wird und sich die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität bei einer beteiligten Person als systemisches Problem der Gruppe erweist. Aber bei aller fachlichen Herausforderung lässt sich auch in solchen Situationen jede fachliche Dienstleistung schwerlich unter eine verbotene Konversionsbehandlung subsumieren.
Fazit
Insgesamt „passt“ das Gesetz sehr gut zur jahrelangen professionellen Handhabung durch Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, ist also für den beruflichen Alltag unproblematisch.
Jan Frederichs, Berlin