Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Die Corona-Warn-App – Ein Überblick

„Hilft Infektionsketten zu unterbrechen“ ist der Slogan der deutschen offiziellen Corona-Warn-App, die am 15.06.2020 veröffentlicht und am 16.06.2020 vorgestellt wurde. Die App wird vom Robert Koch-Institut (RKI) für die Bundesregierung herausgegeben, von Android und iOS zur Verfügung gestellt und wurde von SAP und Telekom entwickelt. Die Entwicklungskosten betragen rund 20 Mio. Euro. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnet die App als „Meilenstein in der Corona-Bekämpfung.“ Mit Stand zum 19.06.2020 sei die App laut Twitter-Meldung von Dorothee Bär (CSU, MdB und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung), 9,6 Mio. mal heruntergeladen worden. Laut heise.de ist die App ist das Ergebnis wochenlanger Vorbereitungen und wurde im dritten Konzept realisiert. Sie darf nicht mit der Datenspende-App verwechselt werden, die ebenfalls vom RKI entwickelt werde (wird berichteten).
Die App soll Gesundheitsämter beim Nachverfolgen der Kontakte unterstützen. Risikobegegnungen werden durch Erfassung von Begegnungen mit Unbekannten im öffentlichen Raum ergänzt und schneller identifiziert. Die App sei ein wichtiger Baustein der Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (zusätzlich zum Tragen von Alltagsmasken, Händehygiene, das Beachten von Husten- und Niesregeln, das Einhalten des Abstandsgebots sowie ergänzende Leitlinien und Handlungsempfehlungen für medizinisches Fachpersonal).

Wie arbeitet die App?
Das RKI informiert: „Die Corona-Warn-App misst mittels Bluetooth-Technik den Abstand zwischen Personen, die die App installiert haben, und ermöglicht, dass sich das Smartphone diese Begegnungen merkt. Dafür tauschen die Geräte untereinander temporäre verschlüsselte Zufallscodes (Bluetooth-IDs) aus.
Werden Nutzerinnen oder Nutzer der App positiv auf das Coronavirus getestet, können sie sich dafür entscheiden, ihre eigenen Zufallscodes zum Abgleich weiterzugeben. Dabei werden die verschlüsselten Zufallscodes der positiv getesteten Person auf den Corona-Warn-App-Server geladen. Alle aktiven Corona-Warn-Apps laden mehrfach täglich vom Corona-Warn-App-Server die dort veröffentlichten sogenannten Positivkennungen herunter und übergeben sie gesammelt über eine Schnittstelle an das Betriebssystem. Dort wird geprüft, ob empfangene und aufgezeichnete Zufallscodes vorliegen, die zu den Zufallscodes der positiv getesteten Person passen.
Das Übertragungsrisiko wird dabei in einem vierstufigen Verfahren bewertet. Dazu gehören die Auswertung, wie lange es her ist, dass die Nutzerin oder der Nutzer eine Corona-positive Person getroffen hat, wie lang der Kontakt bestanden hat, wie nah sich die Personen gekommen sind und welches Übertragungsrisiko bei der Corona-positiven Person bestand. Das Ergebnis ist ein Risikoscore, der den Nutzerinnen oder Nutzern als Mitteilung angezeigt wird. Überschreitet dieser „Risk Score“ eine Schwelle, bekommen sie eine Warnung auf dem Bildschirm angezeigt.“
Der Ärzte Nachrichtendienst (ÄND) ergänzt: „Wer positiv auf Covid-19 getestet wurde, trägt diesen Status selbst in die App ein. Um einen Missbrauch zu verhindern, muss dieser Status offiziell bestätigt werden. Das geschieht zum einen über einen QR-Code, den man vom Testlabor erhält. Alternativ kann man auch eine TAN eingeben, die man von einer Telefon-Hotline bekommt, da nicht alle Labore in der Lage sind, QR-Codes zu generieren. Im Infektionsfall erhalten die betroffenen Kontakte einen Hinweis, dass sie sich testen lassen sollen.“
Eine vereinfachte Übersicht der Arbeitsweise der App finden Sie hier. Das Bundesministerium für Gesundheit hat auch ein Informationsvideo herausgegeben.

Und der Datenschutz?

Zu keinem Zeitpunkt erlaube das Verfahren Rückschlüsse auf die Nutzerin, den Nutzer oder den Standort. Bei der Anmeldung müssen keine persönlichen Daten (wie E-Mail-Adresse und Name) angeben werden. Die dezentrale Datenspeicherung auf den Geräten selbst sowie die vollumfängliche Pseudonymisierung sollen ein Höchstmaß an Datenschutz garantieren. Ein Missbrauch der Meldung des Infektionsstatus über die App werde durch technische und organisatorische Maßnahmen verhindert. Das RKI stellt außerdem den Quellcode der App auf der Plattform GitHub zur Verfügung. Bei neutralen, objektiven Analysen des Codes seien derzeit keine wurden keine Datenschutz-Anomalien entdeckt worden. Dies honoriert die Techniker Krankenkasse (TK). Vorstandsvorsitzender Dr. Jens Baas warnt jedoch auch: „Das Gesundheitswesen darf nicht in eine Abhängigkeitsfalle der großen US-Konzerne geraten - gerade, wenn es um den Umgang mit und die Nutzung von Daten geht“ und bezieht sich dabei auf die Abhängigkeit von den Konzernen Google und Apple, die die App anbieten. Die Installation ist freiwillig. Damit dies auch so bleibt, fordern Grüne, Linke und AfD, dass gesetzlich geregelt werden müsse, dass es durch die Nicht-Nutzung keine Benachteiligung, z. B. durch Zutrittsbeschränkungen, geben dürfe. Die Forderungen würden jedoch bislang von der Bundesregierung abgelehnt. In der Datenschutzgrundverordnung sei alles Notwendige geregelt, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Was kann die App nicht?
Die App kann Ansteckungen nicht direkt verhindern. Sie trägt jedoch dazu bei, dass Menschen nachträglich darüber informiert werden, wenn sie sich in der Nähe infizierter Personen aufgehalten haben. Dies ermöglicht bessere Nachverfolgung von Kontaktpersonen sowie effektivere Schutz- und Quarantänemaßnahmen.
Weiterhin besteht das Risiko der Fehlalarme. Die App könnte Alarm schlagen, obwohl sich beispielsweise Infizierte hinter einer Glaswand befunden und so durch den „Kontakt“ keine Infektionsgefahr ausging. So gehe SAP laut ÄND derzeit davon aus, dass 80% der Begegnungen richtig eingeschätzt würden. Die App ersetzt daher nicht die anderen genannten Schutzmaßnahmen. Dies betonte auch Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt: „Mit der App allein ist es nicht getan.“ Damit die App zum Erfolg beitragen könne, müsste verständlich über diese informiert werden. Weiterhin fordert Reinhardt: „[…] mit Blick auf die anstehenden Grenzöffnungen und den wieder anlaufenden Reiseverkehr ist es wichtig, Schnittstellen zu den Systemen in anderen Ländern zu schaffen und entsprechende internationale Meldewege zu etablieren.“ Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin von den Grünen, fordert zudem Klarheit in Bezug auf viele noch ungelöste Fragen, z. B. Barrierefreiheit oder, ob eine Warnung der App als Begründung für eine zeitweilige Krankschreibung bis zu einem Testergebnis ausreicht. Auf die Frage, ob eine Warnung der App ausreiche, um sich krankschreiben zu lassen, antwortet die Bundesregierung bislang: „Der Hinweis "Erhöhtes Risiko" der Corona-Warn-App informiert den Nutzer allein darüber, dass aufgrund der Nähe und der Dauer einer Begegnung mit einer Person, die über die App ein positives Testergebnis gemeldet hat, ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht und empfiehlt dem Nutzer die telefonische Kontaktaufnahme mit seinem Hausarzt, dem ärztlichen Bereitschaftsdienst 116 117 oder dem Gesundheitsamt. Die Entscheidung über eine Krankschreibung oder die Anordnung einer häuslichen Absonderung (Quarantäne) trifft der behandelnde Arzt bzw. das zuständige Gesundheitsamt nach einer entsprechenden eigenen Einschätzung.“

Was bedeutet die App für Praxen?
Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), zerstreut am 16.06.2020 zunächst Bedenken zu möglichen Auswirkungen der App auf Praxen. Auch wenn er hiermit wahrscheinlich eher Sorgen um mögliche Handlungsaufforderungen zu Testungen meint, kann sein Hinweis sicherlich auch auf psychotherapeutische Praxen bezogen werden. Nur, weil die App eine Warnung (auch für Praxisinhaber) ausspreche, heiße dies nicht, dass man sich wirklich angesteckt hat oder sofort in Quarantäne müsse. Es sei Vorsicht geboten (die App gibt hierzu auch Handlungsempfehlungen), aber das Risiko und eine mögliche Ansteckungsgefahr müsse noch verifiziert werden. Erst eine Testung gebe hier endgültige Gewissheit. Die Kontaktnachverfolgung und Benachrichtigung über die App ersetzen nicht die Testungen, die Gesundheitsämter und auch nicht die nach Infektionsschutzgesetz vorgeschriebenen Meldewege.

Julia Zick