Nach vielen Ankündigungen und langem Warten auf das „Versorgungsgesetz I“ liegt nun ein Referentenentwurf vor. Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune – kurz Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) enthält dabei eine ganze Reihe von Themen und geplanten Maßnahmen.
Zielsetzung
Als übergeordnete Zielsetzung formuliert das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dass Menschen überall in Deutschland die gleichen Chancen auf Beratung, Prävention und medizinischen Versorgung erhalten sollen.
Wichtigste Themen im Überblick:
Neue Angebote in strukturschwachen Gebieten: Mit der Schaffung von Gesundheitskiosken sollen niedrigschwellige Beratungsangebote unabhängig vom Versichertenstatus angeboten werden und Ratsuchende bei der Vermittlung von konkreten Leistungsangeboten unterstützt werden. Die Errichtung soll im Zusammenwirken von Kommunen und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) unter Beteiligung der privaten Krankenversicherungen erfolgen. In Gesundheitsregionen sollen neue Möglichkeiten einer regional vernetzten, kooperativen Gesundheitsversorgung geschaffen werden, um regionale Defizite zu beheben.
Primärversorgungszentren: Anlass für die Etablierung von Primärversorgungszentren sah das BMG vor allem darin, dass in ländlichen und strukturschwachen Gebieten immer weniger Hausärzt:innen niedergelassen sind. Insbesondere dort sollen nun Primärversorgungszentren entstehen. Neben dem regulären soll ein „besonderes“ hausärztliches Versorgungsangebot geschaffen werden, das den Bedürfnissen älterer und multimorbider Patient:innen entspricht.
Hausärztliche Tätigkeit attraktiver machen: Um die hausärztliche Versorgung auch zukünftig flächendeckend zu gewährleisten, soll die Budgetierung der ärztlichen Honorare in diesem Bereich aufgehoben und weitere Reformen der hausärztlichen Vergütung vorgenommen werden. Auch Bürokratie soll abgebaut werden, durch Vorgabe einer Geringfügigkeitsgrenze für die Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Psychotherapie für Kinder und Jugendliche: Da Kinder und Jugendliche im Bereich der Psychotherapie besondere Versorgungsbedürfnisse haben, soll ihr flächendeckender Zugang zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung verbessert werden, indem eine separate Bedarfsplanungsgruppe für Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen eingeführt wird, die überwiegend Kinder und Jugendliche behandeln.
Mehr Einfluss der Länder: Den Ländern soll ermöglicht werden, ihre „versorgungsrelevanten Erkenntnisse in den Zulassungsausschüssen verbindlich zur Geltung zu bringen und damit die vertragsärztliche Versorgung maßgeblich mitzugestalten“. Diese grundsätzliche Möglichkeit hatten einige Länder in der jüngeren Vergangenheit bereits genutzt, um neue psychotherapeutische Kassensitze zu erwirken.
Mehr Mitsprache im Gemeinsamen Bundesausschusses: Zukünftig sollen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die Interessensvertretung der Pflege sowie der Patient:innenvertretung gestärkt werden und Mitsprachemöglichkeiten ausgebaut werden, außerdem sollen Entscheidungen beschleunigt werden.
Weitere Themen die im Gesetz geregelt werden sollen:
Medizinische Versorgungszentren: Damit Kommunen besser in der Lages sind, eine lokale Versorgungsinfrastruktur aufbauen können, soll die Gründung kommunaler medizinischer Versorgungszentren (MVZ) erleichtert werden.
Schnellere Versorgung mit Hilfsmitteln: Menschen mit Behinderung sollen durch eine Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens für Hilfsmittelversorgung besser unterstützt und so ihre Teilhabe verbessert sowie Begleit- und Folgeerkrankungen vermieden werden, dies gilt jedoch nur für Menschen mit Behinderung, die in entsprechenden Zentren versorgt werden.
Mehr Studienplätze: Da in den nächsten Jahren viele Ärzt:innen in den Ruhestand gehen werden (geschätzt ca. 140.000 Personen bis Ende der 2030er) und die jüngere Generation „an flexiblen und familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen“ interessiert sei, müsse die Anzahl der Studienplätze für Humanmedizin deutlich erhöht werden.
Stärkung der Gesundheitskompetenz: Es soll mehr Transparenz hinsichtlich der Servicequalität von Kranken- und Pflegekassen geschaffen werden, da gesetzlich Versicherte oftmals auf eine fachkundige, bedarfsorientierte und schnelle Unterstützung sowie auf die Beratung durch selbige angewiesen seien.
Rente und gesetzliche Krankenversicherung: Zukünftig soll verhindert werden, dass privat krankenversicherte Rentner:innen durch zeitweises Absenken ihrer Rente Zugang zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung erhalten. Waisenrenter:innen sind zwar versicherungspflichtig, jedoch grundsätzlich betragsfrei – dies soll zukünftig auch während des Bundes- oder Jugendfreiwilligendienstes gelten.
Abschaffung letzter Corona-Sonderregeln: Aktuell erfolgt die Vergütung der Kosten durchgeführter Corona-Testungen im Krankenhaus über ein separates Zusatzendgeld, dieses sei nach Ende der SARS-CoV-2-Pandemie nicht mehr erforderlich.
Bekämpfung von Fehlverhalten Gesundheitswesen: Kranken- und Pflegekassen sind verpflichtet, Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen einzurichten und zu betreiben. Um insbesondere Betrugsfälle zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen aufzudecken und zu vermeiden, sollen diese weiterentwickelt und gestärkt werden.
Mehr Finanzkontrolle: Die Prüfrechte des Bundesrechnungshofes sollen ausgeweitet werden, um eine wirksame Finanzkontrolle im Gesundheitswesen zu erlangen, dies betrifft insbesondere die Kassenärztlichen Vereinigungen und den G-BA.
Videoberatung für Pflegebedürftige: Aktuell läuft eine zweijährige Erprobungsphase, in der die Beratung von pflegebedürftigen Personen teilweise per Video durchgeführt werden kann. Da dem BMG bisher kaum Aussagen zur Durchführung der Beratung per Videokonferenz vorliegen, soll die Evaluationsfrist verlängert werden.
Selbstverwaltung darf digital tagen: Für die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, den G-BA sowie den Bewertungsausschuss wird jeweils klargestellt, dass sie die Durchführung von hybriden und digitalen Sitzungen in ihren Satzungen beziehungsweise Geschäftsordnungen regeln können.
Dr. Johanna Thünker