Enttäuschung für die Psychotherapeuten, Erfolg nur in einem Punkt
Das BSG urteilte gestern am 28.5., dass der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 ( bekannt gegeben am 18.2.05 ) rechtmäßig ist und enttäuschte damit die Psychotherapeuten, die noch in den Vorinstanzen weit überwiegend ihre Prozesse gewonnen hatten. Die Vorinstanzen hatten den Beschluss noch am Maßstab der bisherigen BSG-Rechtsprechung gemessen und für rechtswidrig gehalten. Nun war es das BSG selbst, das nach seinen Honorarurteilen aus 1999 und 2004 jetzt in 2008 dem Bewertungsausschuss einen unerwartet weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt hat.
Das BSG folgte den Psychotherapeuten nicht in der Argumentation zu der
Berechnung der Praxisbetriebskosten einer maximal ausgelasteten Praxis. So
dürfe der Bewertungsausschuss nach Auffassung des BSG im Berechnungsmodell
fixe Praxiskosten in Höhe von 40.634 € ansetzen. Damit hatte die
KBV mit ihrem Vortrag, dieser Ansatz fixer Praxiskosten diene dem Abschwächen
regionaler Unterschiede, Erfolg.
Allerdings hat das BSG den Bewertungsausschuss verpflichtet, in regelmäßigen
Abständen zu prüfen, ob der fixe Ansatz neu festgesetzt werden
muss. Bei dieser Überprüfung muss der Bewertungsausschuss diejenige
Datenbasis zugrunde legen, die er schon bei seinem Beschluss 2004 zugrunde
gelegt hatte, also insbesondere die ZI-Kostenstrukturanalyse und die Daten
des Bundesamtes für Statistik. Eine Überprüfung sei insbesondere
ab 2007 angezeigt, so dass die jüngsten Erhebungen zu den Praxiskosten
schon bald in eine neue Berechnung des Punktwertes einfließen werden.
Das BSG folgte den Psychotherapeuten auch nicht in dem Einwand, dass bei
der Betrachtung des Ertrages der Vergleichsarztgruppe(n) belegärztliche
Leistungen und Leistungen aus Modellvorhaben zu Lasten der Psychotherapeuten
ausgeklammert werden. Soweit noch Bescheide aus 2000 und 2001 Streitgegenstand
waren, wies das BSG darauf hin, dass in der damaligen Vergleichsarztgruppe
der Allgemeinmediziner die belegärztlichen Leistungen praktisch keine
Rolle spielten.
Aber auch bzgl. des Zeitraums ab 2002, seitdem infolge der Aufteilung in
fachärztlichen und hausärztlichen Vergütungsanteil ein „Fachärzte-Mix“ als
Vergleicharztgruppe herangezogen wird, sei die Ausklammerung von belegärztlichen
Leistungen und Leistungen aus Modellvorhaben rechtmäßig, weil
diese Anteile am Honorar „insgesamt nicht prägend“ seien.
Grundsätzlich hätten die Psychotherapeuten keinen Anspruch darauf, dass beim Arztgruppenvergleich alle Einkünfte der Fachärzte einzubeziehen seien. Deshalb sei auch die Ausklammerung von Honoraren aus den Abschnitten O und U des EBM 96 ( also Laborleistungen ) beim Fachärzte-Mix als Vergleichsarztgruppe nicht zu beanstanden.
Ein Trostpflaster bleibt den Psychotherapeuten. Das BSG hält es für
rechtswidrig, dass in den Jahren 2000 und 2001 bei der Ertragsberechnung
der Vergleichsarztgruppe der Allgemeinmediziner die Einkünfte aus den
Abschnitten O und U ausgeklammert wurden. In der Erörterung wies das
BSG darauf hin, dass nach seinen Recherchen dieser Teil der Honorare für
die Allgemeinmediziner immerhin 7,33 % ausmache und für die Ausklammerung
keine plausiblen Gründe ersichtlich seien. Das BSG gab es dem Bewertungsausschuss
auf, bis zum 31.12.08 eine Korrektur vorzunehmen, andernfalls sind die Kven
verpflichtet, selbst eine Neuberechnung der Honorare unter Einbeziehung der
Honorierung der Leistungen aus den Kapiteln O und U aus den Jahren 2000 und
2001 vorzunehmen und die Honorare – sofern die Bescheide noch offen
( = widersprochen) sind, neu zu bescheiden.
Das bedeutet, dass erstens nur Psychotherapeuten, die gegen den Nachhonorierungsbescheid
Widerspruch eingelegt haben, mit einer Nachzahlung rechnen können, dies
aber zweitens aller Wahrscheinlichkeit nach erst im Laufe des nächsten
Jahres geschehen wird.
Überraschend und besonders ärgerlich ist schließlich, dass das BSG schon wenige Monate, nachdem es entschieden hat, dass für probatorische Sitzungen grundsätzlich 3 Cent gezahlt werden müssen, nun entschied, dass ein Restpunktwert von 2,56 Cent nicht unterschritten werden darf - es sei denn für einzelne Krankenkassen für einen begrenzten Zeitraum. Das Gericht begründete dies damit, dass in diesem Fall diesem Punktwert auch eine mengensteuernde Funktion zukommen könne.
Die insgesamt neun verhandelten Verfahren wurden an die Sozialgerichte
zurück verwiesen. Dabei wurde dem Sozialgericht Marburg aufgegeben,
den laut BSG besonders komplizierten HVV in Hessen dahingehend zu überprüfen,
ob die Vorgaben des Bewertungsausschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung
des BSG korrekt umgesetzt worden sind, ob insbesondere der ungewöhnliche
Vorwegabzug der Leistungen im ärztlichen Notfalldienst erst nach Bestimmung
der Punktwerte und nicht vor der Aufteilung in fachärztlichen und hausärztlichen
Vergütungsanteil die Höhe des Mindestpunktwertes negativ beeinflussen
würde und ob v.a. auch die Anzahl der Arztpraxen regelgerecht erfasst
worden ist, um das Durchschnittseinkommen zu berechnen.
Trotz in der Verhandlung vorgetragener Bitte wurde - zumindest in der mündlichen
Urteilsverkündung - kein Obiter Dictum zur Auswirkung des Angemessenheitsgebots
auf die Regelleistungsvolumina geäußert.
Eine ausführliche Kommentierung erfolgt nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründungen, die jedoch vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen werden.
Jan Frederichs
Uschi Gersch
29.5.2008