Der VPP-Bundesvorstand hat in einem Leserbrief Stellung genommen zu dem Beitrag: „Ambulante psychiatrische Versorgung: Umsteuerungen dringend geboten“, welcher sowohl im Deutschen Ärzteblatt PP (Heft 11, S. 516ff.) als auch im Deutschen Ärzteblatt vom 14.11.08 (105(46), A 2457-60) veröffentlicht wurde. Darin heißt es:
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hatte Dr. Heiner Melchinger,
Medizinische Hochschule Hannover, im Frühjahr 2008 ein Gutachten zur
ambulanten psychiatrischen Versorgung vorgelegt, dessen Ergebnisse er in
den o.g. Ausgaben des Deutschen Ärzteblattes vorstellte.
Der Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP im BDP) weist einzelne Aussagen des Beitrags als unzulässig und irreführend zurück und fordert eine Klarstellung in einer der nächsten Ausgaben.
So heißt es: „Psychiater und Nervenärzte behandeln 72 Prozent aller Fälle, erhalten aber dafür nur rund ein Viertel der Gesamtausgaben. Ärztliche und Psychologische Psychotherapeuten behandeln 28 Prozent der Fälle und erhalten dafür rund dreiviertel der Gesamtausgaben.“ Vor dem Hintergrund der einleitend getroffenen Aussage, dass für „Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankungen“ weniger bedarfsgerechte Hilfen und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stünden als für „Patienten mit leichteren psychischen Störungen“, muss der Eindruck entstehen, Psychotherapeuten würden es sich auf Kosten der Psychiater recht gut gehen lassen. Der weitere Vergleich, Psychiater hätte pro Quartal etwa eine halbe Stunde Behandlungszeit für den Patienten zur Verfügung, während dies bei Psychotherapeuten „zehn Stunden und mehr“ seien, ergänzt dieses verzerrte Bild.
Dazu drei Anmerkungen:
1. Psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung sind inhaltlich nicht
zu vergleichen. Während in der psychiatrischen Behandlung häufig
Medikamente zum Einsatz kommen, steht im Zentrum der Psychotherapie eine
langfristige Veränderung des Erlebens und Verhaltens eines Patienten.
Dies erfordert jeweils einen eigenen Zeitrahmen und therapeutischen Ansatz.
2. Sowohl Psychiater/Nervenärzte als auch Psychotherapeuten zählen
unter den Facharztgruppen zu den Geringverdienern auf etwa gleichem Level.
Ausgeblendet bei dem „Vergleich“ der Ausgaben wurde, dass Psychotherapie
in der Regel über einen kürzeren begrenzten Zeitraum eingesetzt
wird, während neben den Gesprächsbehandlungen beim Psychiater auch
Medikamente sowie stationäre und sozialpsychiatrische Leistungen über
einen langen, mitunter lebenslangen Zeitraum anfallen können.
3. Ob eine psychiatrische, eine psychotherapeutische oder eine kombinierte
Behandlung notwendig ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Eine Schizophrenie
stellt andere Erfordernisse in punkto Behandlungsansatz und -weg, Ziele,
Zeitrahmen, Ort und Frequenz der Therapie als eine Angststörung oder
eine Depression.
Was bedarfgerecht ist, muss bei jeder Patientin und jedem Patienten sorgsam überlegt werden. Hierfür ist die möglichst vorurteilsfreie Kooperation zwischen ambulant, teilstationär und stationär tätigen Behandlern und Einrichtungen notwendige Voraussetzung.
Heinrich Bertram für den
Bundesvorstand des VPP im BDP e.V.
3.12.2008