Das LSG NRW hatte am 21.6.2010 in einem Eilverfahren darüber zu entscheiden,
ob der von einem ärztlichen Psychotherapeuten in ein MVZ eingebrachte Praxissitz
mit einem psychologischen Psychotherapeuten als MVZ-Angestellten gem. 103 Abs.4a
SGB V fortgesetzt werden kann (L 11 B 26/09 KA ER).
In der entscheidenden Frage danach, in welcher Weise zwischen dem aus dem MVZ
ausscheidendem und dem im Wege der Anstellung fortführenden Leistungserbringer
fachliche Identität bestehen muss, hat das LSG ausgeführt, dass keine
Fachgebietsidentität im Sinne des ärztlichen Weiterbildungsrechts erforderlich
sei. Es genüge, wenn Vergleichbarkeit zwischen dem abgebenden und dem übernehmenden
Leistungserbringer dergestalt besteht, dass Letzterer in der Lage ist, die Praxis
im Wesentlichen fortzuführen, also den Teil der Sicherstellung der Versorgung
gewährleisten kann, den zuvor der die Praxis abgebende Leistungserbringer
erbracht hat.
In Bezug auf das Gebot des 25 % Arztgruppenanteils für psychotherapeutisch
tätige Ärzte hat das LSG eine Auswirkung auf die Praxisnachfolge nur
dann angenommen, wenn dieses mit der Nachfolge durch einen psychologogischen
Psychotherapeut unterlaufen werden würde.
Die Entscheidung ist zu begrüßen und festigt die Rechtssprechung, nach der prinzipiell nicht ausgeschlossen ist, dass die Praxis bzw. die vertragsärztliche Tätigkeit eines Arztes von einem psychologischen Psychotherapeuten fortgeführt werden kann, wenn beide derselben Arztgruppe im Sinne des Bedarfsplanungsrechts angehören. Das LSG setzt damit die Rechtsprechung des hessischen Landessozialgerichts 2007 (L 4 KA 72/06 ER) und des baden-württembergischen Landessozialgerichts 2009 (L 5 KA 599/09 ER) fort. Neu - aber konsequent - ist insoweit, dass dies nicht nur bei der Praxisnachfolge im Sinne des Praxisverkaufs an einen Nachfolger, sondern auch bei der Nachfolge innerhalb eines MVZ gem. 103 Abs.4a SGB V gilt.
Wie auch in den beiden anderen genannten Entscheidungen musste keine Stellung
zu der Frage genommen werden, ob diese Rechtslage kategorisch nicht gilt, wenn
es auch nur einen einzigen ärztlichen Bewerber gibt oder ob dann dieser ärztliche
Bewerber (mit erheblichen Chancen wegen spezifischer beruflicher Eignung) in
Konkurrenz mit psychologischen Bewerbern steht. Da das LSG nicht primär
auf das Fehlen eines ärztlichen Bewerbers abstellte, sondern generell auf
die Zugehörigkeit zu derselben Arztgruppe, dürften psychologische Psychotherapeuten
generell und nicht nur bei Fehlen eines ärztlichen Bewerbers nachfolgeberechtigt
sein.
Dieser generellen Sichtweise folgend, müsste dann auch ein psychologischer
Psychotherapeut nachfolgeberechtigt sein, wenn es zwar einen ärztlichen
Interessenten gibt, dieser aber keinen Anspruch auf eine Konkurrenzposition wie
beim Praxiskauf gem. 103 Abs.4 SGB V hat, wenn also keine Bewerberauswahl gesetzlich
vorgesehen ist. Das ist jedenfalls bei der Nachbesetzung im Sinne des 103 Abs.4b
Satz 2 SGB V der Fall, wenn also ein zugelassener ärztlicher Psychotherapeut
der auf seine Zulassung verzichtet, um sich nicht bei einem MVZ einzubringen,
sondern sich bei einem Kollegen anstellen zu lassen, später ausscheidet
und diese Stelle sodann von einem psychologischen Psychotherapeuten nachbesetzt
werden soll (zur Zulässigkeit der psychologischen Nachfolge einer ärztlichen
Zulassung in dieser gesetzlichen Variante gibt es nach hiesigem Kenntnisstand
noch keine Gerichtsentscheidung). Ob auch bei einer Nachfolge innerhalb eines
MVZ - wie im entschiedenen Fall - eine Bewerberauswahl gesetzlich vorgesehen
ist, ließ das LSG offen, deutete aber dezent an, dass es das eher verneint.
Dass diese für psychologische Psychotherapeuten günstige Situation nicht mehr gilt, wenn die 25 % Ärztequote unterschritten werden würde, ist plausibel. Ob infolgedessen derjenige ärztliche Verkäufer, dessen Verkauf an einen psychologischen Psychotherapeuten zu einer Entsperrung des Gebiets für ärztliche Psychotherapeuten führen würde, bereits sein Eigentumsrecht nicht mehr verwirklichen darf oder wohl doch eher im Gegenteil, weil er dies darf, das Gebiet trotz leichter Unterschreitung von 25 % gesperrt bleibt und wie dann zu begründen sein wird, dass der nächste verkaufswillige Arzt trotz Sperrung sein Eigentumsrecht nicht mehr verwirklichen darf, wird eine weitere interessante Frage werden. Jedenfalls ist die Zahl solcher Anwendungsfälle also erschöpfend. Die Rechtslage würde nach Ausschöpfung ggf. später wieder interessant werden, wenn die 20%-Quote vom Gesetzgeber reduziert oder abgeschafft werden wird.
Schließlich hat diese Rechtsprechung - auch wenn es vielfach gehofft
werden dürfte - keinerlei Auswirkung auf vakante Ärztestellen, also
Gebiete, die für ärztliche Psychotherapeuten noch offen sind. Denn
für die besprochene Rechtsprechung bzw. die zugrunde liegenden Gesetzesvorschriften
ist Überversorgung bezogen auf die ärztlichen Psychotherapeuten kategorische
Voraussetzung.
Jan Frederichs
Rechtsanwalt
18.12.2010