Die Veranstaltung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) am 24./25.11.2022 in Berlin richtete sich an Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen und war gut besucht. Am ersten Tag stand die Berichterstattung über verschiedene Themen der Qualitätssicherung im Vordergrund. Der zweite Tag stand ganz im Zeichen den Institutes für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG).
Katrin Maag, unparteiisches Mitglied des G-BA, eröffnete die Veranstaltung und berichtete über aktuelle Entwicklungen bezüglich der Qualitätssicherung (QS). Sie wies auf den aktuellen Bundesqualitätsbericht des IQTiG und betonte: QS soll keine fehlenden Strukturvorgaben ersetzen und Versorgung zu regulieren, aber Mindestmengenregeln verbessern die Sicherheit. Wohl wichtig für die Leistungserbringenden ist ein Eckpunktepapier, denen zufolge das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen optimiert werden soll.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ließ ein Grußwort einspielen. Er betonte, es sei in Sachen QS schon viel passiert, die Patient:innenperspektive solle weiter gestärkt werden. Allerdings sei der Aufwand mit vielen Indikatoren in Vollerhebung zu hoch, „Qualitätssicherung ist kein Selbstzweck!“
Plenumsvortrag: Krankenhausplanung
Daniela Behrens, niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung berichtete über die „vielen Problemlagen“, die sich in einem Flächenland wie Niedersachsen auf Krankenhäusern auswirkten. Man sei stolz auf sein Landeskrankenhausgesetz. Zentrale Aspekte: Dort wo Krankenhäuser nicht mehr gebraucht werden bzw. sich nicht mehr rechnen, sollen Regionale Gesundheitszentren entstehen. Alle Krankenhäuser müssen jetzt einen Demenzbeauftragten haben!
„Nur auf den Bund schimpfen, das reicht nicht“, so die Ministerin. Investitionen wurden auch von den Ländern vernachlässigt und sind gerade auch im Klima-Kontext dringend erforderlich. Vom Bund forderte sie eine Reform der DRGs, insbesondere um Gesundheitszentren und andere sektorenübergreifende Konzepte in die Regelversorgung zu bringen. In Richtung G-BA kritisiert sie den hohen Dokumentationsaufwand.
Im weiteren Verlauf der Konferenz fanden verschiedene Parallelveranstaltungen zu unterschiedlichen Themen statt.
Umsetzung der QS im Bezug auf die PPP-Richtlinie
Aus Krankenhaussicht gäbe es verschiedene praktische Probleme bei der Umsetzung der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik Richtlinie (PPP-RL), u .a. ob es sich bei den Vorgaben um Mindest- oder Maximalvorgaben handelt, welche Stichtage relevant seien, wie die Berücksichtigung von Leitungskräften erfolgen soll, wie der Umgang mit Fehlzeiten, es seien viele Daten vorzuhalten, viele Anlagen und Testate wären nötig.
Ein Vertreter der Techniker Krankenkasse griff das Thema aus Kostenträgersicht auf, manche Probleme wären lösbar, Urlaubsplanung halte er beispielsweise für eine beeinflussbare Größe. Unglücklich sei die Regelung zur leitliniengerechten Behandlung auf deren Basis mehr Personal gefordert würde, dafür gäbe es keine Evidenz. Aus Psychotherapie-Sicht erfolgt hier ein Wortbeitrag von Johanna Thünker, sie wies nachdrücklich darauf hin, dass nicht sein könnte, dass stationär bei schwereren Fällen weniger Psychotherapie stattfindet als ambulant. Leitlinienkommissionen helfen sicher, aus, den aus den Leitlinien resultierenden konkreten Behandlungsbedarf /Personaleinsatz abzuleiten.
Dorothea Sauter von der Dt. Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege e. V. referierte über den wichtigen Beitrag, den die Pflege leiste. Anforderungen seien vielseitig, qualitativ anspruchsvoll und oft wenig planbar. Dennoch würden Pflegekräfte wenig gehört, wenig wertgeschätzt und im internationalen Vergleich schlecht ausgebildet. Sie forderte u.a. eine Stimme im G-BA.
Stefan Günther (Bundesverband Klinikdirektoren, Herausgeber „Praxishandbuch zur PPP-RL“) berichtete, dass es zwar bis Ende 2022 eine Vollerhebung von Daten durch das IQTiG gegeben habe, man diese aber nicht bekomme. Eine eigene Erhebung
Dr. Candelaria Mahlke (UK Hamburg-Eppendorf) stellte das Konzept der Peer-/Genesungsbegleitung. Dabei sollen ehem. Patient:innen Patient:innen begleiten. Sie kritisierte, dass diese trotz Evidenz wenig Berücksichtigung finden. Margret Steffen (Pat.-Vertreterin im G-BA) meldete sich zu Wort, eine Verankerung im System könnte analog Pflegebegleitung gelingen, Genesungsbegleitung komme aus ehrenamtlichem Engagement, es müsste geklärt werden, ob hier ein neues Berufsbild geschaffen werden solle.
Umsetzung der Qualitätssicherung aus Anwendersicht
Dr. Klaus Döbler (Kompetenzzentrum Qualitätssicherung beim Medizinischen Dienst BaWü) referierte über die quantitative und qualitative Bewertung der Ergebnisse von Qualitätsindikatoren. Gemäß Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQS-Richtlinie) müssten auffällige statistische Daten noch einer qualitativen Prüfung unterzogen werden. Dabei sollte festgestellt werden, ob einem auffälligen Ergebnis ein Qualitätsdefizit zugrunde liegt, und ggf. Maßnahmen eingeleitet werden. Er schlägt „ganzheitliche“ Methodik vor, dann würde bei der Entwicklung von Indikatorensets bereits Umgang mit Ergebnissen und Ressourcen mitgedacht werden.
Dr. Susanne Eberl (Bereichsleitung QM und klinisches Risikomanagement Sana Kliniken; Expert:in bei IQTiG) berichtete über das Instrument des Peer-Reviews. Darunter verstehe man eine retrospektive Betrachtung einer Auswahl von Akten/Fällen (anonymisiert!) und Besprechung im Dialog unter Fachkolleg:innen. Das Verfahren werde bereits von verschiedenen Initiativen in Deutschland eingesetzt, es gäbe auch einen Leitfaden der Bundesärztekammer. In der DeQS-RL des G-BA sei es eine mögliche Maßnahme unter den Maßnahmen der Stufe eins gemäß § 17.
Sie stellte das Vorgehen bei den Sana-Kliniken vor: Unter Aufgreifindikatoren verstehe man Kriterien, die ein Review auslösen können, sie werden von Kernteams der medizinischen Fachgruppe ausgewählt. Neben Onsite Peer Review mit Begehung (Analyse von bis zu 20 Akten zu vorher festgestellten Auffälligkeiten) gebe es auch Offsite Peer Review bei Einzelfällen von Schadensmeldungen und Beanstandungen (kein vor-Ort-Besuch, ein Peer betreut, Besprechung am Rande ohnehin stattfindender Fachgruppensitzung). Der gesamte Prozess erfolge analog eines vollständigem PDCA-Zyklus. Die Übertragbarkeit auf einzelne Einrichtungen sei ggf. schwierig.
Dr. Birgitta Rüth-Behr (Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie, DGPT e.V.) berichtete über das Antrags- und Gutachterverfahren (GAV) als gelebte Praxis der QS in der Psychotherapie. Mit der Abschaffung des GAV gingen elementare qualitätssichernde Aspekte verloren. Wenn der Schutz durch die Wirtschaftlichkeitsprüfung wegfiele, bestünde die Gefahr einer selektiven Auswahl von Patient:innen. Sie wirbt für eine Weiterentwicklung des GAV z. B. durch die Integration der Patient:innensicht. Auch die Qualitätssicherung des GAV selbst könnte weiter verbessert werden, z.B. durch verbindliche Teilnahme an Gutachterkonferenzen.
Dr. Andrea Schleu (Ethikverein e.V.) hielt einen Vortrag über Patientensicherheit und Nebenwirkungen in der Psychotherapie. Sie unterschied dabei klar zwischen negativen Folgen einer sachgerecht durchgeführten Behandlung und einer unsachgemäß durchgeführten Behandlung inkl. unethischem Verhalten. Sie stellt die Arbeit und die Leitlinien des Ethikvereins vor. Direkte Implikationen für die QS benennt sie nicht.
Verfahren der externen Qualitätssicherung
Dr. Konstanze Blatt (Leiterin der Abteilung Befragung beim IQTiG) berichtete über die erste erfolgreich angelaufene Patient:innenbefragung im Bereich der Perkutanen Koronarintervention (PCI). Bei der Wahl der Methode gelten gleiche Kriterien wie her andere Indikatoren auch, ebenso wären Fokus- und Expert:innengruppen beteiligt worden. Leistungserbringende müssten monatlich Daten bereitstellen (Adresse der Pat. + Behandlungseckdaten), die Kontaktaufnahme und Datenauswertung erfolgten durch das IQTiG. Seit August dieses Jahres laufe die Befragung, die Rücklaufquote liege bei 55 Prozent.
Patient:innenbefragungen für die Bereiche Schizophrenie, Nierenersatztherapie und ambulante Psychotherapie seien in Vorbereitung, außerdem – als übergeordnetes Thema – die online-basierte Befragung. Weitere Aufträge würden erwartet.
Im Falle bestimmter Erkrankungen wie dem Prostata-Karzinoms sei ein QS ganz ohne Zusatzaufwand möglich, darüber berichtete Katrin Wehner (IQTiG). Neben Sozialdaten sollen andere verfügbare Daten (hier aus dem Krebsregister) verwendet werden. Aufwendig sei höchstens auf Seiten des IQTiG die Integration der Daten. Für die Psychotherapie kommt ein derartiges Verfahren nicht in Frage.
Als drittes neues Verfahren wurde die Strukturabfrage (z. B. im Rahmen der PPP-RL) vorgestellt (Dr. Silke Zaun, Leiterin Abteilung Verfahrensmanagement beim IQTiG). Hier müssen Leistungserbringende Angaben zu Versorgungsstrukturen (Personalausstattung, Infrastruktur, etc.) machen. Die PPP-RL enthalte Mindestvorgaben für Personalausstattung auf Standortebene pro Quartal, auf Stationsebene je Monat. Aktuell gebe es für die Erfüllung noch Übergangsregeln (derzeit 90 Prozent Erfüllung, nur Stichprobenerhebung für monatliche Stationsdaten).
Dr. Johanna Thünker