Ende November 2017 präsentierten das Forschungszentrum Depression, die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und die Deutsche Bahn Stiftung die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zum Thema „Depression“. Das sogenannte „Deutschland-Barometer Depression“ offenbarte dabei nicht neben hohen Erkrankungsraten auch eklatante Wissenslücken.
Repräsentative Befragung
Für die Studie wurden 2.000 Personen zwischen 18 und 69 Jahren aus einem repräsentativen Panel für die deutsche Bevölkerung in Privathaushalten befragt. Ergänzt wurden diese Daten der Allgemeinbevölkerung durch eine Online-Umfrage unter Depressionsbetroffenen.
Mehrheit von Depressionen betroffen
Insgesamt erkranken jedes Jahr in Deutschland rund 5,3 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen, unipolaren Depression. Jeden Tag nehmen sich durchschnittlich 28 Menschen das Leben. Die Suizide erfolgen dabei zumeist vor dem Hintergrund einer unzureichend behandelten Depression oder anderen psychischen Erkrankungen.
Auch in der repräsentativen Befragung gab fast ein Viertel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, dass bei ihnen bereits einmal die Diagnose einer Depression gestellt worden sei. Über ein Drittel berichtete zudem, dass bei einem Angehörigen oder Bekannten eine Depression diagnostiziert wurde. Damit ist die Mehrheit der Deutschen im Laufe des Lebens indirekt oder direkt von Depression betroffen.
Körperliche Ursachen zu wenig bekannt
Dennoch gibt es in der Bevölkerung große Irrtümer bezüglich der Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung. So wurde die Bedeutung von belastenden Lebensereignissen für die Entstehung von depressiven Erkrankungen von den Befragten überschätzt: Nahezu alle sahen die Ursachen der Depression in Schicksalsschlägen (96 Prozent) und Belastungen am Arbeitsplatz (94 Prozent). Zudem glaubte über die Hälfte der Befragten, dass die Depression durch eine „falsche“ Lebensführung ausgelöst wird; knapp ein Drittel hielt Charakterschwäche für eine Depressionsursache.
Gleichzeitig wurde die Bedeutung der Veranlagung unterschätzt: Nur 63 Prozent kannten die große Relevanz der erblichen Komponente der Depression, und nur zwei Drittel wussten, dass während der Depression der Stoffwechsel im Gehirn gestört ist.
Depressionen werden somit vor allem als psychische Reaktion auf widrige Lebensumstände angesehen und weniger als Erkrankung im medizinischen Sinne, die jeden treffen kann und bei der Betroffene professionelle Hilfe benötigen.
Fehlannahmen verhindern adäquate Behandlung
Auch bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten wussten einige der Befragten nicht ausreichend Bescheid. Rund jeder fünfte Befragte glaubte, dass „Schokolade essen“ (18 Prozent) oder „sich zusammenreißen“ (19 Prozent) geeignete Mittel gegen die schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung seien.
Allerdings hielten 96 Prozent der Befragten eine psychotherapeutische Behandlung für eine geeignete Behandlungsmöglichkeit. Diese genießt damit einen besseren Ruf als medikamentöse Behandlungsmethoden (75 Prozent). Diese unterschiedliche Einschätzung könnte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass vier von fünf der Befragten glaubten, Antidepressiva würden süchtig machen (78 Prozent) oder den Charakter verändern (72 Prozent). Viele Befragte waren darüber informiert, dass Sport und Bewegung bei depressiven Erkrankungen hilfreich sein können.
Neue Behandlungswege erforderlich
Von der großen Zahl depressiv Erkrankter erhält nur eine Minderheit eine optimale Behandlung, dies belegen aktuelle Studien. Oftmals müssen Patientinnen und Patienten lange Wartezeiten überbrücken, bis sie einen Termin bei einer Fachärztin bzw. einem Facharzt oder einer Psychotherapeutin bzw. einem Psychotherapeuten erhalten und eine adäquate Behandlung erfahren. Aufgrund dieser angespannten Versorgungslage gewannen digitale Angebote in den vergangenen Jahren deutschlandweit und auch international an Bedeutung. Gegenüber diesen Hilfsangeboten bestehen in der Bevölkerung jedoch noch Bedenken: Die Befragten sahen vor allem den Datenschutz als kritisch an (70 Prozent) und schätzten die Programme als zu unpersönlich ein (79 Prozent). Betroffene hingegen sehen sie als hilfreiche Ergänzung (60 Prozent), aber zu Recht kaum als Alternative zur psychotherapeutischen (14 Prozent) oder pharmakologischen (18 Prozent) Behandlung an.