TK-Gesundheitsreport: Erhöhtes Risiko für Pendler psychisch zu erkranken
Ohne Flexibilität und Mobilität ist die moderne Arbeitswelt kaum mehr vorstellbar. Doch das Pendeln vom Wohnort zum Arbeitsplatz und zurück bedeutet einen erheblichen Stressfaktor, der oft negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat.
Der diesjährige Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse zeigt, dass Berufspendler – dies sind etwa 45 Prozent der Beschäftigten - seltener und kürzer arbeitsunfähig sind als wohnortnah arbeitende Erwerbstätige. Allerdings sind sie häufiger und langwieriger von psychischen Diagnosen betroffen.
Die Grundlage der Daten bildeten 3,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte oder arbeitslos gemeldete Versicherte der Techniker Krankenkasse. Ausgewertet wurden Arbeitsunfähigkeits- und Arzneiverordnungsdaten.
Der TK-Bericht der zeigt, dass die psychisch bedingten Fehlzeiten 2011 um 6,3 Prozent gestiegen sind, vor allem in Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg. Besonders betroffen sind Beschäftigte in Dienstleistungsberufen wie Callcenter-Mitarbeiter, Pflegepersonal und Erzieher. Dies gelte vor allem für Beschäftigte in den Dreißigern bis Fünfzigern, die oft durch ihre Lebenssituation doppelt oder dreifach belastet sind mit Job, Kindererziehung und Pflege der Eltern.
Der VPP ist sich mit der TK deshalb einig, dass sich die betriebliche Gesundheitsförderung den Anforderungen der modernen Arbeitswelt widmen sollte. "Hier gilt es, die Expertise von Psychologen zur gesunden Arbeitsgestaltung zu nutzen. Wir Psychotherapeuten sehen die psychischen Folgen krankmachender Arbeitssituationen, dabei tut eine rechtzeitige Prävention not.“ so die VPP-Vorsitzende Eva-Maria Schweitzer-Köhn.
Barmer GEK stellt ihren Arzneimittelreport 2012 vor
Frauen bekommen mehr Medikamente als Männer verordnet
Die Barmer GEK Krankenkasse befasst sich in ihrem diesjährigen Arzneimittelreport mit rollenspezifischen Verordnungsphänomenen. Frauen bekommen etwa zwei- bis dreimal mehr Psychopharmaka verordnet als Männer, obwohl derartige Unterschiede weder medizinisch begründbar noch leitliniengerecht sind. Aus diesem Grund werden wissenschaftliche Studien benötigt, die dieses Phänomen ergründen, um die Ergebnisse wiederum in den Versorgungsalltag einzubringen.
Frauen erhielten 22,3 Prozent mehr Verordnungen als Männer (937 pro Jahr auf 100 Frauen und 763 Verordnungen pro 100 Männer). Bei den Arzneimittelkosten entfielen auf 100 Männer im letzten Jahr 41.100 Euro, auf 100 Frauen 44.900 Euro (+9,3 Prozent).
Unterschiedliches Verordnungsverhalten nach Geschlechtern
Frauen erhalten eher Mittel mit Wirkung auf die Psyche, Männer eher Mittel mit Wirkung auf körperliche Störungen, vor allem des Herz-Kreislauf-Systems. Hier scheinen Rollen-stereotype einen massiven Einfluss auf die Verordnungen auszuüben. Frauen erhalten auch häufiger Beta-Blocker, vermutlich da diese zur Prophylaxe von Migräneanfällen eingesetzt werden, die bei Frauen angeblich häufiger auftreten.
Anstatt von Benzodiazepin-Tranquilizern, die vor allem älteren Frauen häufig verordnet wurden, werden nun mehr Antidepressiva verordnet. Die Verordnungen von Schlafmitteln, die Benzodiazepine oder Benzodiazepin-ähnliche Stoffe enthalten, zeigten eine relativ gleichbleibende Menge im Verbrauch.
Forderung nach Negativliste
Zudem fordert Studienautor Professor Dr. Gerd Glaeske: "Wir brauchen eine Negativliste, welche Ärzte verlässlich über Wirkstoffe informiert, die bei Frauen gefährliche Effekte auslösen können." Vorbild für eine solche Übersicht könne die Priscus-Liste sein, die über gefährliche Wirkstoffe bei älteren Patienten informiert.
Deutsche Depressionsliga kritisiert irreführende Behauptungen
Nach Ansicht der Deutschen Depressionsliga werden die Hintergründe, weshalb Frauen mehr Psychopharmaka erhalten als Männer, nicht ausreichend aufgeführt: „So ist festzustellen, dass Frauen eher über psychische Probleme sprechen als Männer, die Diagnose einer psychischen Erkrankung wird dadurch erleichtert. Zudem haben Männer oft andere „Ventile“ bei psychischen Problemen, beispielsweise ist ein höherer Alkoholmissbrauch zu bemerken als bei Frauen. Und letztlich gilt auch, dass Männer in anderen Bereichen mehr Medikamente als Frauen benötigen, unter anderem bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“
Anlässlich dieser Zahlen fordert die Vorsitzende des Verbandes Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP), Eva-Maria Schweitzer-Köhn: „Diese Erkenntnisse sollten dem gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ein weiteres Zeichen dafür sein, die Notwendigkeit der Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung einzusehen. Im G-BA sind die Krankenkassen zur Hälfte selbst vertreten. Häufig wäre eine Psychotherapie indiziert, anstatt oder zusätzlich zu Psychopharmaka. Eine Psychotherapie wirkt nachhaltiger und spart dadurch langfristig Kosten."
Dipl.-Psych. Uschi Grob
VPP-Fachreferentin