Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Wartezeiten und Umgang mit außervertraglicher Psychotherapie: Antworten der Krankenkassen

Antworten der Krankenkassen auf unser Schreiben vom 10.10.2019

Im Oktober 2019 schrieben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Privatpraxis und außervertragliche Psychotherapie“ über 40 Krankenkassen an, um Antworten aus der GKV-Perspektive zu den Wartezeiten bei der Richtlinienpsychotherapieplatzsuche zu erhalten und in Dialog zu kommen. Wir wollten Antworten auf die Fragen: Wie lang ist eine zumutbare Wartezeit? Welche Ausnahmen gibt es für eine längere Wartezeit? Gibt es Differenzierung nach Diagnosen, Schweregraden und/oder Komorbiditäten? Ist die Krankenkasse der Auffassung, dass Versicherte eher regelmäßig eine längere Wartezeit hinnehmen müssen? Zusätzlich interessierte uns die Begründung, falls Kostenerstattung nach SGB V, §13, Abs. 3 abgelehnt wird.
Die traurige Bilanz: Wir erhielten lediglich vier Antworten von der AOK Rheinland/Hamburg, Barmer, TK und BKK VDN. Das Thema Wartezeit auf einen ambulanten Richtlinienpsychotherapieplatz und Kostenerstattung nach SGB V, §13, Abs. 3 scheint weiterhin ein unliebsames Thema zu sein, was gerne ignoriert und unter den Teppich gekehrt wird.
Als positiv hervorzuheben ist, dass in fast allen erhaltenen Antwortschreiben der Psychotherapeutin und dem Psychotherapeuten aus der Psychotherapeutischen Sprechstunde die Expertise zugestanden wird, zu entscheiden, wie viel Wartezeit dem Patienten oder der Patientin zuzumuten ist. Wir empfehlen daher allen Behandelnden auf dem Formular PTV 11 im Freitext bei gegebenen Voraussetzungen die Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit von Psychotherapie sowie maximal zumutbare Wartezeit möglichst genau anzugeben.
Ferner wird sich selbstverständlich auf die neuen Regelungen durch die neue Psychotherapeuten-Richtlinie 01.04.2017, die Verantwortlichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigungen, die Bedarfsplanung und die Vermittlung von Psychotherapieplätzen durch die Terminservicestelle (TSS) berufen. Die AOK Rheinland/Hamburg gibt für letzteres sogar eine einzuhaltende Reihenfolge an, bevor überhaupt überlegt wird, ob Kostenerstattung nach SGB V, §13, Abs. 3 infrage kommt. Die AOK Rheinland/Hamburg listet auf, dass zunächst die TSS in der Vermittlung von Sprechstunde, Akutbehandlung und Psychotherapie scheitern müsse, dann wäre der nächste Schritt ein stationärer Aufenthalt (!) und beruft sich dabei auf die Vorgaben des Gesetzgebers. Erst wenn diese Vermittlung nicht gelinge, sei Kostenerstattung eventuell denkbar, aber mit Sicherheit immer noch eine individuelle Entscheidung der Krankenkasse. Weiterhin könne man mit 6x25 Min. Sprechstunde auch gut eine längere Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz überbrücken. Ist dies der gewollte Zweck der Sprechstunde? Die TK erwähnt außerdem, dass sie vor Kostenerstattung nach SGB V, §13, Abs. 3 noch eigene Versorgungsangebote überprüft. Etwa die Gesundheits-App Ada als Richtlinienpsychotherapieersatz? – Nach dem Bekanntwerden des Datenschutzlecks im Herbst 2019 kündigte die TK den Vertrag, zumindest dieses Versorgungsangebot steht wohl jetzt nicht mehr zur Verfügung.
Generell wird von der Barmer, der AOK Rheinland/Hamburg und der TK überdeutlich formuliert, dass die Kostenerstattung nach SGB V, §13, Abs. 3 keine Regelleistung sei, womit die Kassen Recht haben, und es daher immer eine Einzelfallentscheidung sei und im Ermessen der Kasse liege, ob ein Antrag hierauf bewilligt wird. Dies sehen wir anders, es gibt dieses Gesetz nicht ohne Grund. Natürlich ist jeder Antrag eine Einzelfallentscheidung, die jedoch nach definierten Regeln und nicht nach Ermessen abzulaufen hat. Wir fordern daher mehr Transparenz im Bewilligungsprozess des Kostenerstattungsverfahrens.
Als positives Beispiel geht hier die BKK VDN voran, die die Kostenerstattung nach SGB V, §13, Abs. 3 nicht per se ausschließt oder den Ermessensspielraum der Krankenkasse überbetont. Sie schreibt im Vergleich zu den andren Kassen relativ trennscharf, dass Kostenerstattung möglich ist, wenn das Formular PTV 11 einen Dringlichkeitscode aufweist und kein Therapieplatz durch die TSS vermittelt werden konnte. Ob dies allerdings im Sinne des Gesetzgebers ist, ist fraglich. Der Dringlichkeitscode wird hier unserer Meinung nach zweckentfremdet, soll er doch den Bedarf nach einer Akuttherapie und keiner dringlichen und unaufschiebbaren Richtlinienpsychotherapie anzeigen. Ferner ist intransparent, wann genau der Zeitpunkt des Scheiterns der Therapieplatzvermittlung eintritt. Gilt es schon als Erfolg, wenn eine Probatorik vermittelt wurde? Wird geprüft, ob ein Therapeut oder eine Therapeutin, der oder die eine Probatorik bei der TSS angibt, anschließend auch zeitnah einen Psychotherapieplatz frei hat? Auch hier fordern wir mehr Transparenz von der Vorgehensweise der Krankenkassen, der TSS und des Gesetzgebers. Weiterhin ist zu überlegen, ob die sogenannten Akuttherapien nicht auch als Kostenerstattungsleistung nach SGB V, §13, Abs. 3 denkbar sind. Nach dem Motto „Ambulant vor stationär“ wäre dies eine kostengünstigere und für Patientinnen und Patienten minimalinvasivere Lösung.
Die Fragen nach der Differenzierung der Wartezeiten nach Diagnosen, Schweregraden und/oder Komorbidität sowie der Auffassung, dass Versicherte eher regelmäßig eine längere Wartezeit hinnehmen müssen wurde übrigens von der AOK Rheinland/Hamburg und der Barmer gar nicht erst beantwortet. Die TK gibt an, dass es keine Differenzierung gäbe, die BKK VDN schreibt, dass nach SGB V §11 Abs. 6 bei "langfristige Arbeitsunfähigkeit" Wartezeiten bis zu 8 Wochen zumutbar wären.
Wir bedanken uns für die erhaltenen Schreiben der 4 aus über 40 Kassen und das die AOK Rheinland/Hamburg und die BKK VDN zumindest für Rückfragen zur Verfügung stehen. Es ist ein erster Schritt in Richtung Transparenz und Dialog.

Julia Zick