Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Einschätzung zum Referentenentwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSGV)

Das Bundesgesundheitsministerium hat den Referentenentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) vorgelegt, das ab dem 1. April 2019 in Kraft treten soll. Bei einer ersten Sichtung des Entwurfs fällt auf, dass von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten fast gar nicht die Rede ist. Auch wenn Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten üblicherweise auch ohne explizite Erwähnung von den geplanten Neuregelungen über (schon bestehende) Verweisvorschriften mit erfasst sind, wenn von „Vertragsärzten“ oder „Leistungserbringern“ und unter Umständen von „Fachärzten“ die Rede ist, hat man beim TSVG doch häufig den Eindruck, dass bei Planung dieses Entwurfs die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mal wieder kaum im Bewusstsein waren.

Vermittlung von Behandlungsterminen

Erwähnenswert sind deshalb nur einige Aspekte. Die Vermittlung von Behandlungsterminen „während der Sprechstunde“ ist im Entwurf ein größeres Thema. Es geht sowohl generell um vermittelte Termine, insbesondere aber um akut nötige Behandlungstermine. Für solche vermittelten Termine soll es Finanzierungsanreize für die Vertragsärztinnen und -ärzte geben. Einerseits sollen diese Leistungen extrabudgetär honoriert werden. Andererseits soll es kleine Zuschläge geben, die im Entwurf für den Fall, dass sich die Selbstverwaltungsparteien nicht einigen, zwei Euro betragen sollen.

Aber ob und inwieweit das auch für Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (PP) und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen und -therapeuten (KJP) Geltung erlangt, ist auf den ersten Blick unklar. Deren Leistungen werden größtenteils ohnehin schon extrabudgetär vergütet, einschließlich der psychotherapeutischen Sprechstunde. Denkbar wäre aber, dass zumindest die Akutbehandlung, sofern vermittelt, den Zuschlag erhält. Die Anwendbarkeit der geplanten Regelungen auf die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten muss daher erst noch näher überprüft werden.

Veränderung bei der Niederlassung

Ärgerlich ist die geplante Veränderung bei der Niederlassung. Die gesetzlich gebotene Verbesserung der Bedarfsplanung lässt auf sich warten, im Entwurf wird jetzt Zeit bis zum 1. Juli 2019 gegeben. Das betrifft insbesondere die PP und KJP. Aber es sind ausschließlich die Fachärztinnen und -ärzte für Psychotherapie, denen mit den geplanten Änderungen in § 103 SGB V ein kleines Geschenk gemacht werden soll. Ärgerlich ist das zwar weniger, weil es gravierende Folgen hätte, sondern vielmehr wegen der ewigen Verlängerung des krampfhaften Festhaltens an der ÄrztInnen-Quote. Dabei ist der so behauptete Mangel hausgemacht: Wenn man diese Facharztgruppe zu schlecht honoriert, dann suchen sich Ärztinnen und Ärzte lieber eine lukrativere fachärztlich Weiterbildung.

Die geplante Privilegierung wird wohl faktisch wenige Folgen haben, weil sie auf den zweiten Blick wenig wert ist. Der Vorteil liegt nur darin, dass ärztliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten trotz Gebietssperrung zugelassen werden können. Sie bekommen aber erstens nicht mehr Honorar (das wäre auch für die PP/KJP empörend), und zweitens ist diese Zulassung auch nur befristet für die Übergangszeit, bis der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Bedarfsplanung neu geregelt und umgesetzt hat. Außerdem gilt das Privileg nur für Fachärztinnen und -ärzte für Psychotherapie, die in den letzten fünf Jahren keine Zulassung hatten.

Ferner ist zwar aus dem derzeit geplanten Entwurf keine örtliche Einschränkung ersichtlich, in der Begründung wird aber auf einzelne Versorgungsbereiche verwiesen, „bei denen in besonderem Maße über Versorgungs- und Terminschwierigkeiten geklagt wird“. Ärgerlich ist die Stoßrichtung also deshalb, weil das Problem indirekt dahingehend verfälscht dargestellt wird, als läge der Versorgungsnotstand allein am Mangel des fachärztlichen Psychotherapieangebots. Diese Verfälschung ist fast schon höhnisch für wartende PP und KJP, die dem Versorgungsnotstand gerne abhelfen würden, gegebenenfalls auch nur für die Übergangszeit, und die nicht die Wahlfreiheit haben, sich für lukrativere Facharztrichtungen zu entscheiden (was bekanntlich seit über 20 Jahren honorarmäßig gerne ausgenutzt wird).

Kauf von Kassenpraxen

Ferner wirkt die Privilegierung auch beim Kauf von Kassenpraxen und zwar insofern, als der erste Prüfungsschritt danach, ob die Fortführung der Praxis aus Versorgungsgründen noch erforderlich ist, nunmehr auch dann entfallen soll, wenn die Erwerbenden Fachärztinnen oder -ärzte für Psychotherapie sind. Aber auch hier ist ein Effekt eher zweifelhaft. Faktisch lässt sich diese Klippe der Zulassungseinziehung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) auf diverse andere Weisen vermeiden, sodass eher geringer Anreiz besteht, primär an Fachärztinnen und -ärzte verkaufen zu wollen.

Hauptproblem nicht angegangen

Es bleibt dabei: Das Hauptproblem der mangelhaften Bedarfsplanung wird auch mit dem TSVG nicht richtig angegangen. Die ersatzweise Privilegierung der Fachärztinnen und -ärzte geht am Problem vorbei.

Erfüllung der Präsenzpflicht

In § 19a Ärzte-ZV sollen ganze Praxen 25 Stunden statt wie bisher 20 Stunden Sprechstunden vorhalten. Wie bisher ist damit nicht die psychotherapeutische Sprechstunde gemeint, sondern die Erfüllung der Präsenzpflicht. Die Ärztinnen und Ärzte haben bereits vorgetragen, dass diese Änderung den weit überwiegenden Teil nicht beträfe, weil er ohnehin mehr als 25 Stunden präsent sei. Auch für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist die Auswirkung der Änderung wohl nicht schwerwiegend. Der größere Teil der Zugelassenen hat ohnehin bereits eine halbe Zulassung und steht Patientinnen und Patienten wöchentlich mindestens 12,5 Stunden zur Verfügung. Abgesehen davon wird es auch weiterhin nicht möglich sein, die Präsenzpflicht wöchentlich anhand von Stunden- bzw. Abrechnungszahlen auf Einhaltung zu trimmen, denn nach wie vor geht es nicht um mindestens 25 abgerechnete Stunden, sondern um 25 zur Verfügung gestandene Stunden.

Es befremdet deshalb mehr die Suggestion, mit einer Erhöhung der Präsenzpflicht sei den Patientinnen und Patienten geholfen. Ein solcher Eingriff in die freie Praxisgestaltung rächt sich zwangsläufig an anderer Stelle. Denn der erhebliche bürokratische Aufwand, der zu addieren ist, wird trotzdem unvermeidbar bleiben (und sich gegebenenfalls noch leicht erhöhen). An ausgelaugten oder gar überforderten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können auch Patientinnen und Patienten kein Interesse haben. Auch hier muss kritisch angemerkt werden, dass das TSVG besser die mangelhafte Bedarfsplanung im Fokus haben sollte. Mit einer freien Gestaltung der eigenen Kapazitäten ist den Versicherten mehr geholfen.

Jan Frederichs
Justitiar des BDP

Den Artikel des Bundesministeriums für Gesundheit zum TSGV finden Sie hier: www.bundesgesundheitsministerium.de