Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Bericht von der PTK-Berlin-Veranstaltung zur Psychotherapie als Leistung der Eingliederungshilfe am 21.11.2019

Am 21.11.2019 fand in Berlin eine Informationsveranstaltung des Arbeitskreises „Psychotherapie bei Menschen mit Lernschwierigkeiten und Intelligenzminderung“ der Psychotherapeutenkammer Berlin (PTK Berlin) statt.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Frau Dorothee Hillenbrand, Vizepräsidentin der Berliner Psychotherapeutenkammer. Die Veranstaltung fand als Ergebnis des aktiven Arbeitskreises statt. Weiteres Ergebnis sei ein Curriculum zum Thema. Es wurde herzlich eingeladen, am Arbeitskreis teilzunehmen.

Frau Antje Ziebell, Juristin hielt einen Vortrag zu allgemeinen rechtlichen Bedingungen der Psychotherapie als Leistung der Eingliederungshilfe. Anlass der Veranstaltung sei unter anderem ein erster bahnbrechender, erfolgreicher Prozess im Bereich „Psychotherapie als Leistung der Eingliederungshilfe“ in Berlin gewesen. Ergebnis war, dass dem Kläger mit Asperger-Syndrom in 1. Instanz beim Sozialgericht Psychotherapie als Hilfe zur Teilhabe gewährt wurde. Der Prozess habe zwei Jahre gedauert. Das Urteil sei nicht veröffentlicht worden, könne aber dennoch bei Anträgen Erwähnung finden. Es gebe nur einen weiteren Klagefall vor dem Landessozialgericht auf Familientherapie, der jedoch lediglich mit einem Vergleich endete. Im Zuge des Prozesses habe sich herausgestellt, dass es Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen relativ unbekannt sei, dass eine Finanzierung als Fall der Eingliederungshilfe ggf. möglich sei. Dem Arbeitskreis sei es daher ein Anliegen darüber zu informieren.

SGB XII §53 besage, dass es die Aufgabe der Eingliederungshilfe sei, die Teilhabe am Leben zu ermöglichen oder zu erleichtern. Hierbei dürfe SGB V nicht zum Tragen kommen: „SGB V vor SGB XII“. Der Unterschied im SGB V sei es, dass dort die Grundlage der gesunde Mensch sei, der (an bestimmten Erkrankungen) erkrankt ist („Krankenbehandlung“).
Liegt eine Möglichkeit eines Psychotherapie-Antrags im SGB V nicht vor, könne direkt ein (Erst-)Antrag auf Eingliederungshilfe gestellt werden. Es empfehle sich, die Gründe, warum SGB V nicht zum Tragen komme, direkt im Antrag zu beschreiben, um unnötige Ablehnungen zu vermeiden. Weiterhin sollten Stellungnahmen der Mitbehandelnden beigefügt werden. Ziele („langfristig zielorientierte Begleitung“, „Prognostische Milderung der Problematik“), Dauer und Begründung sollten dargelegt werden. Die Eingliederungshilfe beauftrage dann ein Gutachten. Wenn der Träger der Meinung sei, dass einem Antrag nicht stattgegeben werden dürfe, müsse der Träger an einen anderen Träger weiterleiten. Dem würden jedoch die meisten Träger nicht nachkommen. Es sei zu erwarten, dass ein Verfahren dann lange Zeit dauere. In einigen Fällen gebe es die Möglichkeit eines Eilverfahrens (in Berlin derzeit 4-8 Wochen), jedoch würden hier andere Prüfkriterien herangezogen, die bedacht werden müssten. Zusätzlich erschwere es den Klageweg, dass es kaum zitierfähige Urteile gebe.

2020 gebe es mit der Einführung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) einen weiteren Meilenstein für Leistungen in der Wiedereingliederungshilfe. Hierdurch würden sich einige Änderungen im Antragsverfahren geben. Es werde aber weiterhin die Möglichkeit Psychotherapie als Eingliederungshilfe zu beantragen geben, auch wenn Psychotherapie weiterhin nicht explizit erwähnt werde.
Herr Smessaert referierte im Anschluss das Fallbeispiel der gewonnenen Klage, um einen möglichen Leitfaden im Umgang mit dem Antrag auf Eingliederungshilfe zu geben. Herr XY, derzeit 30 Jahre, sei seit sieben Jahren bei Herrn Smessaert in Behandlung. In der 1. Etappe sei die (TfP-) Psychotherapie mit Zielsetzung Behebung von Krankheit durchgeführt worden (in Kostenerstattung, SGB V). Es lag eine mittelgradig depressive Episode mit beigestellter Asperger-Behinderung vor sowie Unsicherheiten und latente Suizidalität. Die depressive Symptomatik konnte bearbeitet und weitgehend gelöst werden. In der 2. Etappe habe es um die Asperger-Problematik gehen sollen. Herr Smessaert habe in der Begründung die tiefgreifende, angeborene und meist genetisch bedingte Komponente des Aspergers sowie die ausgeprägten psychischen Folgen und deren Verschlimmerung bei Nicht-Behandlung im Antragsbericht vorgebracht. Ziele und Methoden habe er ausführlich und sehr detailliert beschrieben. Herr Smessaert habe mit Herrn XY einen Antrag auf Eingliederungshilfe gestellt. Das zuständige Sozialamt habe den Antrag zunächst abgelehnt, ein Widerspruch sei nicht beantwortet worden. Der Klage beim Sozialgericht wurde schließlich stattgegeben. In der Zwischenzeit sei dem Antrag von Herrn XY auf Schwerbehinderung mit einem Grad von 80% stattgegeben worden. Auch habe er Betreutes Einzelwohnen bewilligt bekommen. Zeitgleiche Psychotherapie und Betreutes Einzelwohnen sei möglich.

Herr Smessaert betonte die Wichtigkeit, Anträge als Leistung der Eingliederungshilfe als Psychotherapeut oder Psychotherapeutin in Betracht zu ziehen und dabei auch die Psychotherapeutenkammer um Hilfe zu bitten: „Nicht einfach, aber realisierbar.“
Martin Rothaug, Mitglied des Arbeitskreises, betonte, dass wir als Therapeuten und Therapeutinnen umdenken müssten, damit dieser Weg öfter beschritten werde. Der gewonnene Fall sei ein Meilenstein, der Hoffnung auf Psychotherapie als Leistung der Eingliederungshilfe.
Es gab die Möglichkeit im Plenum Fragen zu stellen. In der Diskussion wurde der Wunsch nach juristischer Unterstützung durch den Arbeitskreis geäußert. Frau Frauke Reiprich, Mitglied des Arbeitskreises, warb wiederum noch einmal um personelle Unterstützung. Es brauche eine/mehr Zusammenarbeit mit der Kammer sowie eine größere Beachtung in der Fachöffentlichkeit, um daraus eine Regelversorgung zu etablieren.

Julia Zick