Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Kommentar: Lohnt "Privat" nicht?

Die Behandlung von Privatpatienten und -patientinnen ist in einer Psychotherapiepraxis mit Kassensitz nicht rentabel. Zu diesem Schluss kommt das „aerzteblatt“. Durch die konsequente Erhöhung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) liegt der Satz für eine Sitzung Richtlinienpsychotherapie seit dem 1. Quartal 2020 nun endgültig über dem Satz der Gebührenordnung für Psychotherapeuten (GOP), der sich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) richtet, im Wesentlichen seit 23 Jahren unverändert. Weiterhin kommen Strukturzuschläge und andere Leistungen, die im EBM, nicht aber in der GOÄ abgerechnet werden können. Die Anpassung des GOÄ ist daher längst überfällig und wird momentan wieder diskutiert. Wie sich das jedoch auf die Honorarsätze für Psychotherapie auswirkt, ist noch unklar.

Gerade für junge Kolleginnen und Kollegen, die viel Geld für ihr Studium und ihre Ausbildung zahlen mussten, ist der Preis von bis zu 80.000 € für das „Praxisinventar“ oder den „Patientenstamm“ eines Kassensitzes jedoch oftmals finanziell zunächst nicht leistbar. Statt sich in (weitere) hohe Kreditschulden zu stürzen, ist die reine Privatpraxis (zunächst einmal) eine gute Alternative. Zumal das Bewerbungsverfahren dank „überversorgten“ Gebieten auch oftmals abschreckt.  Werden die unterschiedlichen Umsatzmöglichkeiten durch gesetzlich und privat Versicherte betrachtet, müssen bei reinen Privatpraxen jedoch auch noch die meist erhöhten Marketingkosten zur Gewinnung von Privatpatienten und -patientinnen mitbedacht werden, was die Schieflage weiter begünstigt. Über leere Praxen mit Kassensitz gibt es jedoch kaum Klagen.

Freuen können sich jedoch wahrscheinlich Kolleginnen und Kollegen, die Therapieplätze nach SGB V §13, Abs. 3 (Kostenerstattung) anbieten. Hatten Krankenkassen zum Teil Honorarkürzungen des GOP-Satzes auf den EBM-Satz durchgeführt, vermutlich weil dieser in der Vergangenheit günstiger war, wird es nun spannend, wie die Versicherer reagieren. Entweder können sich die Behandelnden nun durch den bisher „nur“ gezahlten EBM-Satz über ein höheres Honorar freuen oder die Versicherer wechseln die Strategie und bewilligen einheitlich nach GOP.

Eine weiterhin positive Auswirkung wäre eine Verschiebung der Privatpatientinnen und -patienten aus den Praxen mit Kassensitz hin zu den reinen Privatpraxen, vielleicht sogar mit Vernetzung dieser untereinander. So hätten Praxen mit Kassensitz, die nicht sowieso schon an ihren Kapazitätsgrenzen kratzen, mehr Zeit für gesetzlich Versicherte, für die sie finanziell im Verhältnis mehr Geld bekämen und reine Privatpraxen hätten etwas weniger Marketingkosten und müssten sich nicht allzu stark auf das berufspolitisch unliebsame Kostenerstattungsverfahren konzentrieren.

Julia Zick