Langer Anlauf – kurzer Sprung
Liebe Kolleginnen und Kollegen im VPP,
beginnen wir mit dem Positiven: das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat einen Entwurf zur Novellierung des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) vorgelegt. Abhängig vom Wahlausgang wird dieser die Basis für die endgültige Formulierung des Gesetzes bilden. Der Entwurf berücksichtigt einige Kritikpunkte am Eckpunktepapier, das Ende 2016 ebenfalls vom BMG veröffentlicht wurde. Da er als vorläufig bezeichnet wird, sind noch Verbesserungen möglich.
Einer der Gründe, weswegen eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes aus dem Jahr 1998 notwendig geworden ist, wird darin berücksichtigt. Es soll einen einheitlichen Zugang zur Ausbildung geben. Weiterhin soll sowohl die Ausbildung in Psychotherapie für Erwachsene als auch für Kinder- und Jugendliche nach einheitlichen Standards an einer Universität oder an einer gleichgestellten Hochschule absolviert werden. Polyvalente Bachelor-Studiengänge, welche Studierenden nach dem ersten Abschluss die Einmündung in die unterschiedlichen psychologischen Berufsfelder ermöglichen, soll es weiterhin geben.
Zu begrüßen ist auch, dass klar formuliert wird, dass PsychotherapeutInnen Heilkunde betreiben. Ein anspruchsvolles Berufsfeld, das in der Definition des Berufsbilds nicht auf andere psychologische Arbeitsfelder ausgeweitet wird. Jedoch wird im Entwurf bei der Aufgabenbeschreibung in § 7 Abs. 2 eine Grauzone im Bereich von Förderung der Gesundheit geschaffen. In der betrieblichen Gesundheitsförderung beispielsweise gibt es schon speziell ausgebildete PsychologInnen. Da jedoch die PsychotherapeutInnen zukünftig auch in der Förderung von Gesundheit allgemein aktiv werden dürfen, wird der Wettbewerb, der schon jetzt zwischen Arbeitsmedizinern und PsychologInnen existiert, auf die PsychotherapeutInnen ausgeweitet werden.
Es gibt noch viele weitere interpretationsbedürftige Punkte und Leerstellen im Entwurf. Am Ende der aktuellen Legislaturperiode scheint es wichtig zu sein, der Koalitionsvereinbarung zumindest noch ansatzweise Folge zu leisten. So wird keine Aussage darüber getroffen, wie der Beruf bezeichnet werden wird. Dass es sich um Psychologische PsychotherapeutInnen handelt, scheint noch umstritten zu sein. Böse Zungen mögen spekulieren, ob es sich am Ende um „staatlich geprüfte arztähnliche HeildienstleisterInnen“ o.ä. handeln soll. Es ist höchst widersprüchlich, die Berufsbezeichnung offen zu lassen, aber den Hochschulen ECTS-Umfänge bestimmter Studieninhalte vorzuschreiben.
Explizit formuliert ist, dass zusätzlich zum wissenschaftlichen Bachelor- und anschließend auch zum Masterabschluss jeweils eine Staatsprüfung absolviert werden soll. Die Zugangsvoraussetzung für das Master-Studium soll einzig die Staatsprüfung sein. Alle anderen Prüfungen zur Erlangung des Bachelor-Abschlusses spielen keine Rolle. Die Approbation soll mit dem Masterabschluss erlangt werden, anstatt sie wie bisher mit dem Abschluss der Weiterbildungsphase zu verknüpfen, die den Erwerb der Fachkunde und die sozialrechtliche Anerkennung auf der Basis des Facharztniveaus beinhaltet. Der Approbation für PsychotherapeutInnen wird zukünftig dieses Qualitätsmerkmal genommen. Wenn sie parallel zum Studienabschluss vergeben wird, handelt es sich um eine zusätzliche Prüfung, mehr nicht. Das immer wieder genannte Argument, dass eine angemessene Bezahlung der AbsolventInnen nur dann erreicht werden kann, wenn die Approbation mit dem Studienabschluss erfolgt, überzeugt nicht, da alternative Lösungen wie eine eingeschränkte Behandlungserlaubnis möglich wären, die keine Missverständnisse bei den Abnehmern der Dienstleistung erzeugt. Wofür ist ein Abschluss mit Approbation, aber ohne Fachkunde brauchbar? Durch den Wunsch, es den Ärzten gleichzutun, werden neue Defizite produziert.
Erkennbar wird die Bereitschaft, die Ausbildung breiter als bisher zu gestalten. Weitere psychotherapeutische Verfahren sollen einbezogen werden, die in den bisherigen Richtlinien unberücksichtigt blieben. Andererseits wird nach wie vor restriktiv vorgegangen, was die Kassenabrechnung anbelangt.
Ein weiterer verbesserungsbedürftiger Punkt bezieht sich auf die angestrebte Kapazitätssteuerung. Über das Angebot an Studienplätzen soll die Zahl der AbsolventInnen gesteuert werden. Natürlich gab es auch bisher einen Numerus Clausus. Nur hat sich dieser an den Hochschulen verfügbaren Ausbildungskapazitäten orientiert. Jetzt wird vom BMG formuliert, mehr als 2.300-2.500 Absolventinnen würden pro Jahr nicht gebraucht. Die Zahl der Studienplätze soll dies regeln. Die freie Ausbildungswahl bleibt auf der Strecke.
Die Weiterbildung soll stärker als bisher an die Hochschulen gebunden werden. Es wird keine Aussage getroffen, wie umfänglich sie sein wird. Der kritischste Punkt ist die nach wie vor ungeklärte Finanzierung der PsychotherapeutInnen in der Weiterbildungsphase. Schon vor mehr als 10 Jahren haben wir deswegen eine Novellierung gefordert. Wer mindestens fünf Jahre erfolgreich studiert hat und dann eine mehrjährige Weiterbildung absolvieren muss, soll und kann diese Phase nicht überwiegend selbst finanzieren. Im Arbeitsentwurf bleibt auch dieser zentrale Punkt ungeklärt.
Wir halten folgende bisher noch fehlende Punkte für essenziell für eine sinnvolle Reform des Psychotherapeutengesetzes:
- Eine klare Aussage, dass ein Bachelor- und Master-Studium in Psychologie die Basis für die Weiterbildung zur Psychotherapeutin und zum Psychotherapeuten bildet
- Eine Regelung wie umfangreich die Weiterbildungsphase sein wird
- Eine angemessene Honorierung derjenigen, die sich in der Weiterbildungsphase befinden.
Es gibt noch viel zu verbessern, bevor die Gesetzesnovellierung erfolgreich abgeschlossen werden kann. Die General Assembly der Europäischen PsychologInnen-Verbände hat am 16.07.2017 in einer einstimmig verabschiedeten Erklärung klargestellt, dass Psychotherapie ein Anwendungsfeld der Psychologie ist. In Deutschland wurde und wird dieses Teilgebiet der Psychologie herausgegriffen und neuen Regeln unterworfen, während ein umfassenderes PsychologInnen-Gesetz nicht in Sicht ist. Die Gefahr ist längst noch nicht gebannt, dass die Reform des PsychThG zu einer Verschlimmbesserung führt.
Prof. Dr. Michael Krämer
Präsident BDP
Michael Ziegelmayer
Kommissarischer Vorsitzender VPP
Der Arbeitsentwurf kann hier abgerufen werden (Stand: 25.7.2017):