Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

VPP-Vorsitzender Heinrich Bertram im Zeit-Interview: Bisherige Kontrolle der Psychotherapeuten reicht aus

Unter 'KONTROVERS' stellt der ZEIT Wissen Ratgeber Nr.2/10 (Seite 8) die Positionen von Franz Caspar (Professor für Klinische Psycho­logie und Psychotherapie an der Universität Bern) und Heinrich Bertram (Vorstandsmitglied der Berliner Psychotherapeutenkammer und Bundesvorsitzender des VPP)

nach dem Todesfall in 2009 in Berlin nach einer 'Therapiesitzung' mit Drogeneinsatz gegenüber:

Franz Caspar:
Wenn ein Schreiner einen Tisch schief hobelt, bemerken er und seine Kunden den Fehler sofort. Im Gegensatz dazu fällt es bei einer Psychotherapie nicht gleich auf, wenn etwas schiefläuft. Auch ein Therapeut, der suboptimal arbeitet, wird seine Therapien weiterhin »verkaufen« können, obwohl die Patienten möglicherweise von einem anderen therapeutischen Vorgehen viel mehr profitieren würden.
Die richtige Therapieform für einen Patienten zu wählen ist wichtig, der Erfolg hängt jedoch auch von der Arbeitsweise des Therapeuten ab. Deshalb reicht es nicht aus, Patienten besser über Verfahren aufzuklären, denn sie haben auch ein Anrecht, zu erfahren, ob der Behandler, dem sie sich anvertrauen, bisher gute Arbeit geleistet hat. Dass der Therapeut eine Ausbildung abgeschlossen hat oder dass ein Therapieansatz wissenschaftlich untersucht wurde, ist keine ausreichende Garantie.
Deshalb ist Kontrolle notwendig, die aber vernünftig und sachkundig sein muss: Psychotherapeuten müssen eine Rückmeldung zur Wir­kung ihres Handelns bekommen, auch zur längerfristigen. Gegebenenfalls müssten Vertrau­enspersonen mit ihnen qualitätsverbessernde Maßnahmen besprechen.
Im Extremfall sollten lernresistente Psychotherapeuten nicht mehr oder nur ein­geschränkt praktizieren dürfen.

Heinrich Bertram:
Die bisherige Kontrolle reicht aus: Ärzte, die als Psycho­therapeuten arbeiten, werden von der Ärztekammer und der Kassenärzt­lichen Vereinigung kontrolliert, Psychologische Psychotherapeuten von der Psychotherapeutenkammer.
Die Bezeichnung »Psychotherapeut« ist geschützt - so dürfen sich nur Ärzte, Psychologen und Sozialpädagogen nennen, die sich entsprechend weitergebildet haben. Etwa drei Viertel aller Psychotherapien werden von Psychologen und Sozialpädagogen mit therapeutischer Ausbildung durch­geführt, die Pflichtmitglieder der Psychotherapeutenkammer sind. Diese regelt die Berufsausübung: Wenn Patienten sich beschweren, werden die Therapeuten geprüft. Bei Verstößen gegen die Berufsordnung können Therapeuten etwa mit einer Geldbuße gerügt werden, in schweren Fällen wird ein Gerichtsverfahren eingeleitet. Zudem unterliegt jede Therapie, die von einer Krankenkasse finanziert wird, einem Gutachterverfahren.
Noch mehr Kontrolle wäre nur möglich, wenn Prüfer von außen in die Behandlung eingriffen. Das störte aber empfindlich den Therapieprozess und läge nicht im Interesse des Patienten. Es behinderte das notwendige Vertrauen in den Behandler und verletzte den Datenschutz.
Aber: Mehr Aufklärung der Patienten ist dringend notwendig. Ihnen muss klar sein, dass ein Vorgehen wie das, bei dem im vergangenen Jahr ein Mensch starb, keine Psychotherapie ist und ihre Gesundheit gefährdet.