Am 17.11.2023 hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Berufsverbände zur 56. konzertierten Aktion eingeladen. Dabei ging es vor allem um zwei Themen: die aktuellen Proteste #Praxenkollaps und ambulantes Operieren. Die Mitglieder des KBV-Vorstandes gaben den Teilnehmenden außerdem einen Überblick über den Stand der aktuellen Gesetzgebungsprozesse. Heike Bott und Johanna Thünker waren für den VPP dabei.
TOP 1: Begrüßung, Genehmigung der Tagesordnung
Andreas Gassen begrüßt, wesentliche TOPs seien Proteste und ambulantes Operieren.
TOP 2: Berichte
Andreas Gassen berichtet über aktuelle Sachlage der Protestaktion:
- Letzte Woche Mittwoch wurde der zero-pay-day regional unterschiedlich umgesetzt.
- Das Abgeordneten-Mailing würde „nerven“, damit würde es zumindest schon einmal wahrgenommen.
- Petition: Wurde von Gassen vor ca. einem Monat beim Deutschen Bundestag eingereicht, noch keine abschließende Rückmeldung des Petitionsausschusses, sie sollte ggf. einer anderen Petition vom Frühling „untergeordnet“ (hatte nur Vergütung zum Thema) werden. Die bereits ausgeteilten und unterschriebenen Listen sollen unbedingt aufbewahrt werden. Selbst wenn Petition nicht angenommen werde, sollen sie eingereicht werden.
- ZI-Arztbefragung ist gestartet, sie läuft noch, die Aufbereitung der Ergebnisse bis 8.12.2023, werden medienwirksam vorgestellt.
- Eine KBV-Kampagne wird europaweit ausgeschrieben, diese soll sich langfristig mit Themen der Niederlassung und Problemen in der Versorgung beschäftigen.
- Auch mit den Zahnärzt:innen und Apotheker:innen arbeite man zusammen, trotz üblicher „Konfliktfelder“ v. a. mit Letztgenannten bestehe derzeit „eine gute Allianz“.
- Nach der Bundespressekonferenz habe sich überraschend der Gesundheitsminister gemeldet und den KBV-Vorstand um ein Gespräch gebeten: Er könne uns „in vielen Punkten weiträumig entgegenkommen“, Finanzlage wäre nun entspannter (allerdings war das vor dem Urteil, bei dem die 60 Milliarden kassiert wurden):
- Regressen sollen Regelungen geprüft und auch umgesetzt werden (insb. Geringfügigkeitsgrenze und Differenzkostenmethode),
- Digitalisierung könne er sich Abschaffung von Sanktionen „vorstellen“,
- Prozesse in den Arztpraxen sollen durch Digitalisierung erleichtert werden, das sehe er als „Fachkundiger“ als wichtig an,
- die Entbudgetierung für hausärztliche Versorgung wurde analog Kinder- und Jugendmedizin zugesagt, nächster Schritt sei dann die Entbudgetierung im Fachärztebereich,
- weitere Themen: Bürokratie, Hybrid-DRGs.
Sozialversicherungspflicht für Poolärzt:innen
Für Furore sorgt die Sozialversicherungspflicht für Poolärzt:innen (Bereitschaftsdienst), beteiligt seien eine Reihe von Stakeholdern:
- BMG sei „bei uns“, weil er keine Chaotisierung des Notdienstes bzw. Reduktion wolle,
- Krankenhäuser unterstützen, weil sie jetzt schon überlastet sind,
- BMAS sieht überhaupt keine Veranlassung, um Sondertatbestand zu schaffen (obwohl es ihn bereits für die Notärzt:innen gibt), Eindruck: „wird sich nicht bewegen“.
Gassen geht davon aus, dass es Umstrukturierungen geben werde.
Infos zu aktuellen Gesetzgebungsprozessen (im Schnelldurchlauf)
- Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz befindet sich jetzt wohl in der Ressortabstimmung, einen Entwurf gibt es immer noch nicht.
- Aktuell viel Kritik zur Krankenhausreform, Schreiben der GMK an Karl Lauterbach, Diskrepanzen zum Eckpunktepapier von Juli, am 23.11.2023 nächste Bund-Länder-Konferenz, GMK will das als Arbeitssitzung und nicht als „Jubelshow mit Pressekonferenz“, kontroverse Diskussionen erwartet.
- Krankenhaustransparenzgesetz kommt am Freitag in den Bundesrat, es ist zwar nicht zustimmungspflichtig, dennoch empfohlen den Vermittlungsausschuss anzurufen, dadurch könnte In-Kraft-Treten verzögert werden, IQTiG soll ein Bundesinstitut werden, cave! Direkte Auftragsvergabe an das IQTiG zukünftig durch das BMG geplant, G-BA als eigentlicher Auftraggeber soll komplett ausgeschlossen werden à Angriff auf die Selbstverwaltung.
- Pflegestudiumsstärkungsgesetz ist ebenfalls durch den Bundestag, demnächst in den Bundesrat, diesmal zustimmungspflichtig, viele zusätzliche Regelungen im Omnibus inkl. Hybrid-DRGs.
- Digitalisierungsgesetz (Kernstück ePA) und Gesundheitsdatennutzungsgesetz: jeweils Anhörung im Ausschuss für Gesundheit
- KBV noch einmal im Gespräch mit Berichterstatter:innen, u. a. darauf hingewiesen, dass das PVS bzw. die Software ausschlaggebend für praktikable und benutzerfreundliche ePA sei, Minister geht davon aus, dass er alle Weichen gestellt habe, insbesondere mit dem zukünftigen Kompetenzzentrum für Interoperabilität, KBV halte dies nicht für ausreichend, Hersteller sollten dazu verpflichtet werden, alles umzusetzen und digitale Reaktionszeiten zu minimieren, Prozesse dauern aktuell länger (z. B. digitale Signatur länger als händische Unterschrift), Arbeit dürfe nicht in die Praxen verlagert werden, auch nicht Erklärungsaufwand gegenüber Patient:innen (sei Aufgabe der KKen), Sanktionen und Bußgelder müssen weg (s. o.).
- Gesundheitsdatennutzungsgesetz: Möglichkeit viel Versorgungs- und medizinische Forschung – auch KI – anzustoßen, jedoch stellt niemand Fragen zum Datenschutz bzw. Datensicherheit, KKs unterstützen GDNG maßgeblich, um eigene Steuerungsmöglichkeiten zu erweitern, Kritik am entsprechenden Paragraph im GDNG: KKs sollen Patient:innen auf Risiken bei bestimmten (seltenen) Erkrankungen hinweisen, KBV und viele Leistungserbringer sehen dafür keine Evidenz und dies könnte zur Verunsicherung der Patient:innen führen.
- Mit der Festlegung der monatliche TI-Pauschale wurde „versehentlich“ auch Vergütung bei Versendung und Empfangs des e-Arztbriefes gestrichen, das solle mit dem GKV-Spitzenverband neu verhandelt/vereinbart werden (natürlich sträuben die sich erst einmal), BMG hat KBV zugesagt, bei zügiger Lösungsfindung zu unterstützen.
Diskussion
Feedback aus dem Plenum: „Lauterbach fährt mit Vollgas in die Staatsmedizin“ (Jan Löhler, BVHNO, Zustimmung vom KBV-Vorstand).
Außerdem: G-BA hat turnusgemäß seine unparteiischen Mitglieder neu gewählt: neue Amtsperiode ab 1.7.2024 (für sechs Jahre) unparteiischer Vorsitzender erneut Prof. Hecken, neue unparteiische Mitglieder Fr. Maag, neu Hr. Dr. von Treek.
TOP 3: Ambulantes Operieren
Vortrag aus Dezernat Vergütung und Gebührenordnung. Die Materie ist insgesamt komplex, für uns jedoch wenig relevant.
Die zentralen Aspekte:
- Überarbeitet werden soll zum 1.1.2024 der § 115b SGBV: Leistungskatalog (AOP) soll erweitert werden, ebenso Schweregradsystematik, Festlegung von Überwachungs- und Nachbeobachtungszeiten bis hin zu einer Übernachtung
- Dreiseitige Beratung: GKV-Spitzenverband, DKG, KBV
- Auf rund 240 Verfahren konnte man sich einigen, mehr aber auch nicht
Einschätzung KBV-Vorstand: Unwahrscheinlich, dass neue Anbieter einsteigen, weil Bereich zu klein, Vergütung wird überwiegend als nicht auskömmlich angesehen.
Heike Bott, Dr. Johanna Thünker