Corona und Kostenerstattung – der Hürdenlauf geht weiter
Nicht erst seit der Corona-Krise ist die Fernbehandlung per Videotelefonie möglich. Neu ist, dass für die Zeit der Pandemie die Regelungen zur Häufigkeit, zur Sprechstunde und zur Probatorik gelockert sind und in eingeschränktem Maße auch Telefongespräche abgerechnet werden dürfen. Dies vereinbarte die Kassenärztliche Vereinigung gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband. Während Vertragspsychotherapeuten und -psychotherapeutinnen nun schon länger auch auf die Freigabe für die Akuttherapie warten, stehen Privatpraxen, die außervertragliche Psychotherapie (Kostenerstattung) anbieten, jedoch noch vor ganz anderen Hürden. Hier ist nämlich nicht die KV zuständig, sondern die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen. Da die Kostenerstattung von Psychotherapie immer eine individuelle Entscheidung sei, müsse die Abrechnung von Videotelefonie oder Telefonaten auch für jeden Fall einzeln beantragt werden. Auch wenn die meisten gesetzlichen Krankenkassen durchaus schnell nach Ausbruch der Pandemie in Deutschland reagiert haben und signalisieren, Fernbehandlung auch in Kostenerstattungsfällen zuzulassen, so muss die Behandlung dennoch vorab beantragt werden. Ein Bürokratie-Akt, der in Zeiten der Krise noch unpassender erscheint als sowieso schon. Zudem scheinen sich außerdem einige Krankenkassen die Erlaubnis der Fernbehandlung in der außervertraglichen Psychotherapie zu verweigern.
So ist in einem Schreiben der Techniker Krankenkasse vom 19.03.2020 an Privatpraxen, die eine Freigabe der Videotelefonie erbeten haben, folgendes als Negativ-Beispiel zu lesen:
„Die Videokonferenz darf nur von einem Vertragsarzt oder Vertragstherapeuten durchgeführt werden. (§4 Abs. 3 Anlage 31b BMV-Ä). Leider können wir keine Kosten im Rahmen der außervertraglichen Kostenerstattung übernehmen. Diese Entscheidung wird aufgrund der entsprechenden Regelung im Bundesmantelvertrag getroffen. Sie hat leider auch während der Corona-Pandemie Bestand.“
Dies bedeutet im Zweifelsfall, dass Psychotherapien für Risikopatientinnen und -patienten, Patienten und Patientinnen, die ihre Kinder betreuen müssen oder Patienten und Patientinnen, die #socialdistancing ernstnehmen möchten - also die Psychotherapiepraxis nicht betreten können - für eine noch ungewisse Zeit unbehandelt bleiben, da sie die Fernbehandlung nicht in Anspruch nehmen dürfen. Interessant, wo doch gerade Krankenkassen wie die TK auch mit Online-Angeboten werben. Gerade für die Patientengruppe, bei der ein dringender und unaufschiebbarer Psychotherapiebedarf ja per Kostenerstattungsantrag attestiert wurde und eine Bewilligung der zustehenden Therapie oftmals erkämpft werden musste, besonders dramatisch, unnötig und unverständlich.
Der VPP fordert daher:
- Eine offizielle Stellungnahme der Techniker Krankenkasse zu den Schreiben und dem aktuellen Verfahren bezüglich Fernbehandlung in der außervertraglichen Psychotherapie.
- Eine unbürokratische Lösung zur Fernbehandlung während der Corona-Pandemie, bspw. indem antraglos Videotelefonie und Telefonate abgerechnet werden dürfen (z. B. regulär nach GOÄ/GOP 861, 863 oder 870 ohne erneuten, spezifischen Antrag). Krankenkassen sollten dies unaufgefordert und öffentlich einsehbar mitteilen.
- Den generellen Abbau der Diskriminierung von Patienten und Patientinnen, die eine außervertragliche Psychotherapie in Anspruch nehmen müssen, weil ihnen eine Vertragspsychotherapie nicht rechtzeitig beschafft werden konnte.
- Mehr berufspolitische Unterstützung der Bundespsychotherapeutenkammer und der Psychotherapeutenkammern für die Bedürfnisse von Privatpraxen und deren Patienten und Patientinnen.