Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Bericht JZ: Corona und seine psychischen Folgen

Rund 100 Telefonseelsorgestellen der beiden großen Kirchen haben bundesweit seit Beginn der Corona-Pandemie große Zunahmen der Gesprächskontakte mitgeteilt. Im September seien es 81.000 Telefongespräche gegenüber 75.000 im Vorjahresmonat gewesen, 3428 E-Mails gegenüber 2812 und 2265 Chatkontakte gegenüber 1546. Ulrike Mai, Sprecherin der Telefonseelsorge berichtet, Einschränkungen, Verunsicherungen und Veränderungen durch die Pandemie seien in rund 40% der Fälle Hauptthema gewesen. Um Verunsicherung und Ängste drehten sich 16% der Gespräche, um Alleinsein und Einsamkeit 24%.
Stefan Deutschmann (Leiter des Fachbereichs Beratung und Seelsorge beim Diakonischen Werk Hamburg) bestätigt den Trend auch für die Großstadt: "Die Zahl der Menschen fast ohne jeden menschlichen Kontakt in einer Großstadt ist größer als man denkt. […] Viele Anrufe sind Ausdruck tiefer Einsamkeit von Menschen." Die Hamburger Telefonseelsorge habe in der ersten Phase der Corona-Pandemie zwischen Mitte März und Mitte Mai 25-30% mehr Anrufe bekommen als sonst.
Auch der Deutschlandfunk Kultur macht mit Experteninterviews auf die psychischen Folgen von der Pandemie aufmerksam. Am Anfang des Lockdowns seien Sorgen um Arbeitsplatzverlust und andere Ängste sprunghaft angestiegen. Erste Studien aus China würden belegen, dass Depressionen, Angststörungen und PTBS angestiegen seien. In Deutschland werde derzeit viel geforscht.

Epidemie der Einsamkeit – insbesondere bei Älteren?
Der Hamburger Zukunftsforscher Horst Opaschowski warnt vor einer dramatischen Zunahme der Einsamkeit. "Die Pandemie droht zur Epidemie der Einsamkeit zu werden.“ In einer gemeinsamen repräsentativen Umfrage mit der TK hat er festgestellt, dass durch die Pandemie die Sorge vor Vereinsamung beinahe genauso verbreitet ist wie die Angst vor Altersarmut. Mitte März (Beginn Lockdown) waren 84% der Ansicht, dass für viele ältere Menschen in Zukunft die Kontaktarmut genauso belastend wie die Geldarmut sein wird. Im Januar 2019 waren es nur 61%.
Auch das Forsa-Institut stellte im Mai 2020 mittels Umfrage bei 80% der Befragten eine besondere Belastung durch den fehlenden Kontakt zu Familie und Freunden fest.

Derzeit noch gemischte Studienlandschaft
Es gibt jedoch auch gegensätzliche Studienergebnisse. Die Annahme, psychische Erkrankungen hätten als Folge des Lockdowns zugenommen, konnten Mannheimer Psychiater nicht bestätigen. Die Forscher des Zentralinstituts (ZI) um Dr. Christine Kühner haben in einer Mannheimer Bevölkerungsstichprobe das psychische Befinden während des Lockdowns im April 2020 mit dem im Jahr 2018 verglichen. Es hätten sich zwischen 2018 und 2020 keine statistisch signifikanten Unterschiede bezogen auf die psychische Befindlichkeit ergeben.

In einer deutschlandweiten Studie mit 2000 Personen von Dr. Katharina Knüpling, die die Abteilung Gerontopsychiatrie und Psychotherapie leitet, hätten 5% der Befragten angegeben, dass sie schwere Symptome einer Depression hätten, vor Corona seien es nur 1% gewesen. Die Zahlen bezogen sich auf jung und alt. Es besteht daher weiterer Forschungsbedarf.