Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Bericht von der 38. Konzertierten Aktion der KBV und Berufsverbände am 17.05.2019 in Berlin

Am 17.05.19 fand in Berlin die 38. Konzertierte Aktion der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), zu der die Berufsverbände eingeladen waren, in Berlin statt. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, der auf die Anforderungen in Bezug auf die elektronische Patientenakte (ePA), die Terminservicestelle (TSS) und das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das zum 11.05.19 in Kraft getreten ist, einging: „Hohe Erwartungshaltung der Politik, die kaum zu erfüllen ist.“ Der Termin diente zur Information seitens der KBV und zum Austausch über die TSVG-Umsetzung.
Der Rechtsanwalt Stefan Gräf, Leiter der Stabsabteilung Politik, Strategie und Politische Kommunikation in der KBV, startete mit einem Überblick und übte zugleich Kritik aus. Mit dem TSVG sei die Bürgerversicherung verhindert worden. Die TSS solle außerdem ausgebaut werden, um „Zwei-Klassen-Medizin“ bezüglich der Wartezeit zu mindern. Dies erfolge durch dirigistische Vorgaben des Gesetzgebers, Steuerung und Bevormundung, Androhung von Sanktionen, geringe Anreize und einem massiven bürokratischer Aufwand. Es herrsche ein Geist der Kontrolle. Die KBV wolle das Thema Steuerung weiter politisch angehen: „Wir haben die Hoffnung da noch nicht aufgegeben.“ Derzeit gebe es 73 Mio. GKV-Versicherte und ca. 10% PKV-Versicherte. Es gebe 1,1 Mrd. „Arzt-Patienten-Kontakte“ pro Jahr, die Wartezeit sei nach Gräf generell gering, es gäbe „fast zu viele Termine“. Gräf bemängelt den Zwang der Niedergelassenen mehr und schneller Termine anbieten zu müssen, statt generell die ungesteuerte Natur des Systems anzugehen. Die KBV habe von Anfang an auf eine freiwillige Steuerung gepocht, z. B. mit Entbudgetierung der Grundleistungen (überschaubare Kosten von rund 500 Mio. €), um insbesondere jüngere Ärzte zu motivieren. Mit dem TSVG würde es nun insbesondere für ältere ÄrztInnen attraktiver sein später in Rente zu gehen.
Folgende Änderungen ergäben sich durch das TSVG für kassenzugelassene PsychotherapeutInnen:

  • Ab dem 11.05.19: Freie Termine melden, Ziel sei es eine Akutbehandlung innerhalb von 2 (statt bisher 4 Wochen) anzubieten. Es gebe extrabudgetäre Vergütungen bei TSS-Fällen und bei Weiterbehandlung von durch HausärztInnen vermittelte Fällen.
  • Ab dem 01.09.19: Es gebe weitere Zuschläge bei vermittelten TSS-Terminen, sowie evtl. extrabudgetäre Vergütung von „Neupatienten“ (Arztgruppen noch nicht festgelegt).
  • Ab dem 01.01.20: Unter der Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116117) solle zukünftig auch die TSS rund um die Uhr an 7 Tagen/Woche erreicht werden. Es solle eine Vermittlung von Patienten mit akuten Beschwerden durch die „Strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland“ (SmED) innerhalb von 24 Stunden erfolgen.

Sebastian Bernhardt, KV Telematik GmbH, stellte anschließend mit einer Live-Demo den „eTerminservice“ vor, mit dem die KBV das TSVG umsetze. Der eTerminservice sei eine Plattform für die TSS mit Webanwendung für Praxen. Bis Ende des Jahres würden 16 von 17 KVen eingebunden werden (Schleswig-Holstein sei aufgrund technischer Gegebenheiten eine Ausnahme). Bislang würde eine KV den eTerminservice testen. Die Terminplanung erfolge online durch Arztpraxen selbst und das TSS-Personal. 2018 seien erst 176.000 Termine über die Plattform vermittelt worden. Derzeit seien Stammdaten von mehr als 100.000 Praxen im System eingepflegt, derzeit würden mehr als 25.000 Praxen das System aktiv nutzen. Im Verlauf dieses Jahres würden Veränderungen der Fallzahlen erwartet werden. Ab August 2019 sei auch ein Patientenzugang geplant (Überweisung notwendig, bei der PatientInnen einen speziellen Code erhalten würden).
Durch TSVG-Inkrafttreten sei außerdem für jede Terminsuche die Dringlichkeit und ein „Fristschema“ hinterlegt worden, die gewünschte Terminmenge und Patienten-Dringlichkeit je nach Terminart könne nun in der Maske angegeben werden (z. B. für Vermittlung der Akuttherapie innerhalb von zwei Wochen). Weiterhin sei umgesetzt worden, dass bei nicht gebuchten Terminen z. B. spätestens eine Woche vor dem Termin für die Praxis wieder freigegeben werden („minimale Buchungsdauer“). Evaluationsfunktionen (Vermittlungsgeschehen) seien umgesetzt worden.
Nach der gesetzlichen Vorgabe: „Richtlinien enthalten Zertifizierungsvorgaben für Praxissoftware“ sei die Schnittstelle zwischen Praxisverwaltungssoftware (PVS) und TSS vereinfacht worden. Etiketten mit Dringlichkeitscode seien jetzt z. B. auch digital möglich. PT-Akutbehandlung und Probatorik seien „vermittlungscodepflichtig“. „KV-Connect“-Konto sei nötig, um an diesem System teilzunehmen.
eTerminservice liefere Informationen über TSS-vermittelten Fall über den Vermittlungscode, die Einteilung von TSS-Dringlichkeit bedeute: dringend (innerhalb von 4 Wochen), nichtdringend (verschiebbar, auch > 4 Wochen), ab 2020 auch akut (innerhalb von 24 Std.) und Termindetails mit Datum, Uhrzeit, Terminprofilname (ggf. mit Arztname und LANR).
Im Plenum kamen die Fragen auf, wie sogenannte „no-shows“, PatientInnen, die einen Termin erhalten haben, aber nicht wahrnehmen, vom System behandelt würden und wie das Programm die Erreichbarkeit berechne. Gassen schmetterte die Fragen ab, indem er darauf verwies, dass bei no-shows von 30% und mehr die Praxis über ihre Struktur nachdenken solle und zum Thema Erreichbarkeit die TSS nicht für Wunscharzt und Wunschort zuständig sei. Bernhardt gibt an, dass bezüglich der no-shows Funktionen in Vorbereitung seien: Nach Terminabschluss werde es künftig die Nachfrage geben, ob ein Termin abgesagt wurde, stattfand etc. Weiterhin sei eine Terminerinnerung für PatientInnen für die Erhöhung der Zuverlässigkeit geplant.
Dann ging es ins Detail. Dr. Ulrich Casser, Dezernat Vergütung und Gebührenordnung, informierte über den Bereich Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) und Vergütung innerhalb des TSVG sowie die Forderungen der Ärzteschaft.
TSS-Terminfall und TSS-Akutfall
Forderungen:

  • Leistungen im Behandlungsfall sollen extrabudgetär vergütet werden.
  • Regelungsbedarfe im EBM: Aufnahme (zeit-)gestaffelter Zuschläge für TSS-Terminvermittlung nach Wartezeit. Zuschläge zur jeweiligen Versicherten- Grund- oder Konsiliarpauschale in Höhe von 50, 30 bzw. 20 Prozent. Weiterhin Aufnahme eines Zuschlags für den TSS-Akutfall. Zuschlag zur jeweiligen Versicherten- Grund- oder Konsiliarpauschale in Höhe von 50 Prozent.

Hausarzt-Vermittlungsfall
Forderungen:

  • Leistungen im Behandlungsfall sollen extrabudgetär vergütet werden.
  • 15€ Zuschlag für die erfolgreiche Vermittlung eines Behandlungstermins, mind. 10€

Erstkontakt
Forderungen:

  • Leistungen im Behandlungsfall sollen extrabudgetär vergütet werden.
  • Umsetzung des Erstkontakts für alle Fachgruppen.
  • Regelungsbedarf: Definition der grundversorgenden und/oder an der unmittelbaren medizinischen Versorgung teilnehmenden Arztgruppen, Umsetzen entweder im EBM oder im BMV-Ä.

Offene Sprechstunde
Forderungen:

  • Leistungen im Behandlungsfall sollen extrabudgetär vergütet werden.
  • Regelungsbedarf: Auch hier müssten die Fachgruppen noch definiert werden.
  • Eine Befragung der Berufsverbände durch KBV habe einen Wunsch nach Extrabudgetierung, „aber nicht zu jedem Preis“ ergeben. Die KBV plane die Forderung nach wenig Vorgaben/mehr Freizügigkeit für die offene Sprechstunden
  • Es solle offene Sprechstunde für alle Fachgruppen geben.

Extrabudgetäre Vergütung, Bereinigung

  • Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) auf fachgruppenebene (KBV): Die extrabudgetierte Vergütung der Untersuchungen und Behandlungen (nicht der Zuschläge) gehe mit einer Bereinigung des budgetierten Teils der Vergütung der Arztpraxis einher. Die MGV werde um die Fälle verringert (zu den Preisen entsprechend der arztgruppenspezifischen Auszahlungsquote), die in den ersten vier Quartalen nach Inkrafttreten des Gesetzes extrabudgetär abgerechnet würden.
  • Bereinigung auf Arztebene (KVen): Die Bereinigung aufgrund der Entbudgetierung sei auf Arztebene so umzusetzen, dass von der Bereinigung ausschließlich diejenigen Ärzte betroffen seien, die die extrabudgetär gestellten Leistungen durchführen und abrechnen würden.
  • Es handle sich nach Gesetzgeber um eine Netto-Bereinigung.

Forderung:

  • Bereinigung in den ersten vier Quartalen und nicht das erste Jahr (das wäre der 10.05.20)

Kodier-Richtlinien und Schieberegler

  • Kodier-Richtlinien: § 295 Absatz 4 Satz 3 ff SGB V: Vorgabe von verbindlichen Regelungen zur Vergabe und Übermittlung der Schlüssel nach ICD-10 sowie von Prüfmaßstaben bis zum 30.06.20 mit Wirkung zum 01.01.22 mit jährlicher Aktualisierung. Regelungen seien auch Gegenstand der durch die KBV durchzuführenden Zertifizierung von Software, Softwareteilen und Komponenten, soweit diese außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zur Anwendung kommen würden.
  • Schieberegler: § 87a Abs. 4: Die MGV sei ab 2028 allein auf Grundlage der Diagnosen anzupassen. Der Schiebereglers würde ab 2028 wegfallen.

Aus dem Plenum wurde die Forderung gestellt, dass das Problem der Honorarobergrenze beim Job-Sharing und bei Entlastungsassistenzen endlich angegangen werden müsse. Gassen: „Das Problem ist nicht neu.“
Zum Schluss ging Casser noch auf die Weiterentwicklung des EBMs ein. Wichtige Eckpunkte seien die Fokussierung auf wenige strukturelle Maßnahmen im Rahmen der Ausgabenneutralität, die Beibehaltung der Kalkulationssystematik des Standardbewertungssystems mit Aktualisierung der Praxiskosten, die Anpassung des kalkulatorischen Arztlohns und die Aktualisierung der AL- und TL-Zeiten mit Anpassung der Prüfzeiten. Gesamtziel der KBV sei es, so wenig Umverteilung zwischen den Fachgruppen sowie innerhalb der Fachgruppen wie möglich zu verursachen.

Julia Zick