Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

15 % Zuschlag für Kurzzeittherapie – aber nur unter Umständen

Der Bundesgesetzgeber hatte mit dem am 22.11.19 in Kraft getretenen neuen Psychotherapeutengesetz auch dem § 87 Abs.2c SGB V folgende Sätze angefügt: „Bis zum 29. Februar 2020 ist im EBM für ärztliche Leistungen ein Zuschlag in Höhe von 15 Prozent auf diejenigen psychotherapeutischen Leistungen vorzusehen, die im Rahmen des ersten Therapieblocks einer neuen Kurzzeittherapie erbracht werden. Der Zuschlag ist auf die ersten zehn Stunden dieser Leistungen zu begrenzen und für Psychotherapeuten vorzusehen, die für die in § 19a Abs.1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden für gesetzlich versicherte tatsächlich zur Verfügung stehen.“ Begründet wurde diese Regelung u.a. damit, dass sie Anreiz sei, anstelle von Langzeittherapien mehr Patientinnen und Patienten zu behandeln, die einer neuen Kurzzeittherapie bedürfen, um „unnötig langen Therapiedauern entgegenzuwirken“. Die implizite pauschale Unterstellung (gelegentlicher) fehlender LZT-Indikation soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben, wie auch die Sachlichkeit der impliziten Tendenz, dass KZT besser seien als LZT. In der Gesetzesbegründung scheinen zudem nur PP/KJP mit ganzem Versorgungsauftag adressiert, im Gesetzestext und nun auch in der Umsetzung ist allerdings diese Einschränkung nicht zu finden.

Nach der Umsetzung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab zum 1. April lässt sich nun mitteilen, dass der Zuschlag sowohl für Einzelbehandlungen in der Praxis oder per regelkonformer „Videokonferenz“ (Ziffer 35591), als auch für Gruppenbehandlungen (Ziffern 35593 bis 35599) gilt, der Zuschlag nicht entfällt, wenn auf die maximal 10 Sitzungen noch Bezugspersonengespräche hinzukommen und der Zuschlag auch nicht wegen vorheriger Akutbehandlung entfällt. Die Abrechnung muss selbst vorgenommen werden.

Interessant wird noch werden, ob und wie die KVen mit dem gesetzlich genannten Erfordernis umgehen werden, für die „festgelegten Mindestsprechstunden tatsächlich zur Verfügung gestanden zu haben“. Schon die gesetzliche Unterscheidung zwischen tatsächlich oder nur scheinbar zur Verfügung gestanden zu haben, ist bedenklich. Z.B. die KV Bayern hat dieses Erfordernis sogleich mit der Meldung an die TSS verknüpft, was insofern kritikwürdig ist, weil es fälschlich suggeriert, mit eigenen Wartelisten nicht die Mindestpräsenzpflicht erfüllen zu können. Aber wer muss bei Streichung der 15% eigentlich was beweisen und wie ? Wie schon in der Diskussion zur Präsenzpflicht und dann auch zur TSS-Meldepflicht lauert der bequeme aber prinzipiell falsche ex-post-Rückschluss, dass wer wenig abgerechnet hat und das nicht z.B. mit gemeldeter Krankheit plausibilisieren kann, die Mindestsprechstundenzeiten nicht eingehalten habe. Trotzdem bleibt noch die alte Frage: Wer muss im Falle der 15%-Streichung beweisen, dass man tatsächlich (nicht) ausreichend und mehr zur Verfügung gestanden habe, als man abgerechnet hat ?

Man kann eine fehlende gesetzliche Regelung der Antwort kritisieren. Man kann aber auch anmerken, dass eine im Gesetz unterbliebene und damit der Anwendung im System überlassene Antwort vielleicht immer noch besser ist als die radikale Anwendung, dass wer wenig abrechnet auch dann den 15%-Zuschlag verliert, wenn er die „tatsächlich ausreichende zur Verfügung Stehen schuldlos nicht belegen kann. Vor diesem Hintergrund sei auch jenen ggf. die 15%-Abrechnung empfohlen, die noch nicht wissen, wie sie das ausreichende zur Verfügung Stehen belegen können, weil sie z.B. wenig oder keine freien Zeiten an die TSS gemeldet oder unterdurchschnittlich abgerechnet haben.

Keine Probleme haben wohl mal wieder diejenigen, die viel abrechnen und dass die Psychotherapeut*innen negativ formuliert im System zur akkord-orientierten Fließband-Psychotherapie angereizt werden sollen, ist schon seit den Strukturzuschlägen zu beobachten und der aktuelle 15%-Zuschlag ist nur ein weiterer Schritt. „Viel und schnell“ scheint die Devise, um bloß nicht doch noch nennenswert an die Bedarfsplanung ran zu müssen. Ob diese Tendenz für die Gesundheit der Psychotherapeut*innen selbst und ihre Patient*innen gut ist, muss weiter diskutiert werden.

Jan Frederichs