Aus der Pressemitteilung Nr. 16/2019 des Verwaltungsgerichts Koblenz:
„Psychotherapeutische Leistungen sind nach der rheinland-pfälzischen Beihilfenverordnung grundsätzlich nur dann beihilfefähig, wenn sie zuvor aufgrund eines Gutachtens als beihilfefähig anerkannt wurden. Dies stellte das Verwaltungsgericht Koblenz mit Urteil vom 26. April 2019 klar.
Der Kläger hatte ambulante psychotherapeutische Leistungen in Anspruch genommen, ohne zuvor ein schriftliches Anerkennungsverfahren für die Therapie durchlaufen zu haben. Auf die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens war er von der Beihilfestelle ausdrücklich hingewiesen worden. Sein nach Abschluss der Therapie gestellter Beihilfeantrag wurde unter Hinweis auf das fehlende vorherige Anerkennungsverfahren abgelehnt. Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger insbesondere geltend, aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen zu sein, sich um verwaltungstechnische Dinge zu kümmern. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebiete eine Übernahme der Kosten, weil es in seinem Extremfall falsch sei, auf rein juristische Formulierungen abzustellen.
Dem widersprachen die Koblenzer Verwaltungsrichter unter Hinweis auf § 17 der rheinland-pfälzischen Beihilfenverordnung. Darin sei das Erfordernis einer schriftlichen Anerkennung der Beihilfefähigkeit vor Beginn der Therapie festgeschrieben. Die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens sei auch nicht entbehrlich gewesen. Der Kläger könne sich insbesondere nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 62 Abs. 8 Satz 1 BVO berufen. Danach sei das Unterlassen einer vorherigen Anerkennung unschädlich, wenn das Versäumnis entschuldbar gewesen sei und die übrigen Voraussetzungen vorlägen. Soweit der Kläger vorbringe, aufgrund einer „akuten Krise“ zu einer „klaren Organisation seines Lebens“ außerstande gewesen zu sein, könne dem nicht gefolgt werden. Der tatsächliche Geschehensablauf lasse dies nicht erkennen, da der Kläger zur gleichen Zeit noch in der Lage gewesen sei, sonstige Anträge bei der Beihilfestelle und seiner privaten Krankenversicherung zu stellen. Angesichts dessen und vor dem Hintergrund der Hinweise des Beklagten auf das Erfordernis eines Anerkennungsverfahrens liege in der Ablehnung der Beihilfefähigkeit auch kein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.“
Kurzer Kommentar:
Dieses Urteil dürfte für die meisten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nicht überraschend sein. Es ist klar, dass die Beihilfestelle einbezogen werden muss und es ist grundsätzlich auch klar, dass die PsychotherapeutInnen das dafür Erforderliche leisten müssen (Bericht und/oder Formulare), die Bewilligung der Beihilfestelle einzuholen aber nicht deren Aufgabe, sondern Aufgabe der Patientin/des Patienten ist. Trotzdem kann das Urteil zum Anlass genommen werden, zwei Aspekte kurz zu beleuchten.
Erstens wird man an die Frage erinnert, wie weit bei PrivatpatientInnen die in Textform zu erfüllende wirtschaftliche Informationspflicht der Behandelnden gemäß § 630c Abs.3 BGB reicht. Standardmäßig darf angenommen werden, dass PrivatpatientInnen und Beihilfeberechtigte um die Bedingungen der Kostenerstattung und auch wissen, dass z.B. die Beihilfestelle im Vorfeld eingebunden werden muss. Das aktuelle Urteil ändert daran nichts. Da diesbezüglich aber häufig mit vorformulierten Texten gearbeitet werden kann, ließe sich im Sinne einer best practice überlegen, übliche Informationen für Privatpatienten ggf. zu ergänzen, z.B.: „Als Privatpatient/in sind Sie zur Zahlung des Honorars gemäß des Behandlungsvertrags verpflichtet. Ob und inwieweit Sie als privat krankenversicherte bzw. beihilfeberechtigte Person Anspruch auf Erstattung dieser Kosten haben, müssen Sie Ihren Versicherungsbedingungen bzw. den Beihilfevorschriften entnehmen. Meist ist erforderlich, dass Sie vor Beginn der Psychotherapie bei Ihrer Versicherung bzw. Beihilfestelle eine Bewilligung bzw. Anerkennung einholen.“
Zweitens erinnert das Urteil an die Ausnahmevorschrift bei unverschuldeter Versäumnis der Einholung der Anerkennung bei der Beihilfestelle und daran, dass diese auch krankheitsbedingt sein kann. Das ist insbesondere bei psychischen Erkrankungen eine nicht so ganz seltene Situation. Dennoch dürfte regelmäßig sinnvoll sein, die PatientInnen zur Abklärung mit Krankenversicherung und Beihilfestelle zu motivieren, dabei zu helfen (z.B. als Service mit Einverständnis der Patientin bzw. des Patienten die Kommunikation übernehmen) und soweit möglich auch mit dem Beginn der Psychotherapie zu warten. Sind Kriseninterventionen nötig, können aber die PatientInnen über diese Ausnahmevorschrift informiert werden, so dann aber auch darüber, dass bei Entfallen der Gründe für das schuldlose Versäumnis die Anerkennung zügig nachgeholt werden muss.
Umgekehrt sei hier aber ergänzt, dass es nicht Pflicht der Behandelnden ist, mit der Psychotherapie bis zur Anerkennung zu warten: Wo von der Informiertheit der PatientInnen ausgegangen werden darf, darf die Psychotherapie auch ohne Anerkennung erbracht werden, weil – ohne dass dies zwingend ausdrücklich und dokumentiert abgeklärt sein muss – davon ausgegangen werden darf, dass die Patientin bzw. der Patient die Psychotherapie trotz eventuell unklarer oder fehlender Anerkennung wünscht. Das gilt erst recht, wenn die behandelnde Person nicht davon wissen kann, ob oder wann eine Anerkennung erfolgt, denn das bleibt nach wie vor eigene Angelegenheit der PatientInnen.