Der Gesetzgeber entschärft angesichts diverser Proteste den Honorarabzug für einen fehlenden elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) leicht; genauer gesagt geht es um technische Vorhaltung der elektronischen Patientenakte (ePA) über die Telematik-Infrastruktur. Das berichtet die Ärzte-Zeitung am 11.6. unter Berufung auf ein Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums an die Bundesärztekammer. Unter anderem der Psychotherapeutentag hatte mit einer Resolution Ende April die Streichung der Sanktion gefordert, weil die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nicht für Fehler beim Aufbau der TI haftbar gemacht werden können. So weit ging der Gesetzgeber zwar nicht, aber nunmehr muss der eHBA „nur“ bis zum 30.6.2021 beantragt sein, nicht schon vorgewiesen werden können, damit kein Honorarabzug in Höhe von 1 Prozent erfolgt.
Elektronischer Heilberufsausweis (eHBA)
Der eHBA dient der Authentisierung in der Telematikinfrastruktur und muss bei einem sog. „Vertrauensdienstanbieter“ beantragt werden. Nähere Auskünfte dazu sind auf den Websites der Landespsychotherapeutenkammern zu finden. Ab wann ein Antrag als (vor dem 30.6.) als gestellt gilt, ist nicht explizit geregelt.
TIPP:Wer auf den „letzten Drücker“ beantragt hatte, erhält zwar schon eine aussagekräftige E-Mail-Bestellbestätigung, ob das aber der KV dann zum Nachweis der Fristeinhaltung reichen wird, ist einstweilen nicht gesichert. Besser man hat innerhalb der Frist auch schon die Unterlagen im gesicherten Versendeverfahren (Post-Ident) übersandt und erhält dann einen Fristvermerk quasi für die vollständige Beantragung. Von einer Gebührenüberweisung ist die Fristeinhaltung allerdings nicht abhängig. Wer als zugelassene/r PP/KJP den eHBA nicht bis Ende Juni beantragt hat, dem droht formal ein einprozentiger Honorarabzug. Allerdings könnte sich ergeben, dass wie bei den engen Fristen zur Bestellung der TI dann doch noch diese Folge um ein, vielleicht zwei Quartale hinausgeschoben wird. Noch allerdings scheint es dafür keine Anzeichen zu geben.
TIPP: Bei der Beantragung kann die Abfrage des SMCB übergangen werden (es gibt überhaupt nur ein paar Dutzend Personen, die das ausfüllen könnten). Das Freischaltwort soll aufbewahrt werden, muss aber nicht übermäßig kompliziert sein. Für Unsicherheit sorgt die Frage nach der „Veröffentlichung“ der Zertifikatsdaten. Der Begriff ist missverständlich, weil ein technischer Vorgang zur (technischen) Verwaltungsvereinfachung gemeint ist, eine Art Öffnung oder Vereinfachung von Missbrauch ist eher nicht zu befürchten (zumindest nicht mehr, als ohnehin nicht jegliches Restrisiko kategorisch ausgeschlossen werden kann). Für die Funktionsfähigkeit ist daher das Ankreuzen dieser Rubrik ratsam, es bleibt aber eine freiwillige Entscheidung.
Während sich die Hersteller von Praxisverwaltungssystemen und das Bundesgesundheitsministerium gegenseitig die Schuld für die Probleme bei der Fristeinhaltung zuweisen, sollte nochmal sortiert werden, worum es geht. Rein technisch gesehen sind sowohl der Ausweis an sich, als auch die Organisation der Beschaffung sinnvolle Maßnahmen in Richtung eines angemessen hohen Datenschutzes (auch wenn es lästig ist). Der Gesetzgeber hat die Anwendungen der elektronischen Patientenakte von der Verwendung des eHBA abhängig gemacht, was in Sachen technischen Datenschutzes nachvollziehbar ist. Was das Anlegen und die Verarbeitung einer ePA angeht, sieht der VPP aber weiter den Bedarf einer ausführlichen Diskussion über das Für und Wider. Die Argumente sollten alle Kassenbehandlerinnen und -behandler vor Augen haben, falls später Patientinnen oder Patienten auf die ePA Bezug nehmen, nicht nur wenn es um den größeren Akt der erstmaligen Anlegung der ePA geht, sondern auch falls es um die Befüllung mit Psychotherapiedaten einer bereits angelegten ePA geht.
Elektronische Patientenakte (ePA)
Hierzu nur ein kurzer Anriss. Für die ePA spricht unbestreitbar, dass in Notfällen schnell und umfänglich die erforderlichen Daten verfügbar sind, um schnell bestmögliche Entscheidungen treffen zu können, das kann Leben retten. Eine technisch relativ sichere und dabei einfache Kommunikation über die TI ist zwar ebenfalls begrüßenswert, eine Verknüpfung mit der ePA erscheint aber nicht unbedingt zwingend nötig, allenfalls bequem. Für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten steht aber die wichtige Frage im Vordergrund, wem und warum es nützen soll, wenn Psychotherapiedaten in der ePA stehen, statt „nur“ in der Praxisakte. Dabei geht es nicht darum, Patientinnen und Patienten in ihrer Zuständigkeit für die Verarbeitung ihrer eigenen Daten zu bevormunden, sondern sie fürsorglich und vorausschauend über Risiken und Folgen informiert zu halten. Wie bei kaum einer anderen Anwendung zeigt sich ein Grundproblem des Schutzes digitaler Daten: Daten sammeln und speichern geht ungemein einfach und schnell. Auch wenn das typische dritte Problem, das der beliebigen Duplizierung, durch die TI zumindest eingegrenzt wird, bleibt es ein grundsätzliches Problem, dass man als betroffene Person schnell den Überblick verliert; in aller Regel weiß man sehr schnell nicht mehr, welche Daten gesammelt und gespeichert worden sind (nicht ohne Grund gibt es das Prinzip und Gebot der Datensparsamkeit).
Das typische Problem mangelnden Überblicks ist nun aber bei Psychotherapiedaten besonders kritisch. Zwar gibt es keinen Grund, innerhalb der Kategorie der besonders schutzwürdigen Daten – u. a. Gesundheitsdaten – weiter zu differenzieren, denn der Datenschutz muss gleichermaßen hoch sein. Trotzdem ist einleuchtend, dass sich Psychotherapeut*innen vielleicht mehr noch als andere Berufsgeheimnisträger*innen dem Schutz der Daten ihrer Patientinnen und Patienten verpflichtet sehen, auch ethisch, weil die Gesundheitsdaten in der Psychotherapie vielfach mit sehr sensiblen Daten der Lebensführung verknüpft sind und dies auch dokumentiert werden muss. Dass diese Daten nicht mit anderen Behandlungsdaten zusammengeführt werden, sondern traditionell in der Praxisakte gesondert bleiben, ist faktisch durchaus ein erheblicher Datenschutz.
Die Abwägung und die Frage, wem es warum nützt, solche (ggf. alte) Daten der Lebensführung in einer ePA zu sammeln, sollte den betroffenen Patient*innen bewusst gemacht werden. Wollte man die Frage pauschalieren, scheint aus Sicht des VPP mehr gegen als für die Speicherung von Psychotherapiedaten in der ePA zu sprechen. Eine von betroffenen Patientinnen und Patienten gezielt veranlasste Übermittlung von Psychotherapiedaten war und bleibt auch ohne ePA möglich, mit dem großen Vorteil, dass dies ggf. ganz bewusst und faktisch sparsam erfolgt.
Jan Frederichs, BDP-Justiziar