Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V.

Versorgungsstärkungsgesetz vom Bundestag verabschiedet

Am 11. Juni 2015 verabschiedete der Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsstärkungsgesetz, GKV-VSG). Es wird vermutlich bereits zur Jahresmitte in Kraft treten. Leider fehlt im Gesetz – wie bereits erwartet – eine Regelung, die für eine regelmäßige Anpassung der Psychotherapeutenhonorare hätte sorgen können.

Neuregelung für Jobsharing-Praxen

Vergleichsweise positiv ist die explizit für Psychotherapeuten geschaffene Regelung, dass Jobsharing-Praxen ihren Umfang steigern dürfen. Damit wird eine immer wieder vorgebrachte Forderung des VPP und der Psychotherapeutenschaft allgemein endlich gesetzlich festgeschrieben. Dies wäre für den Gesetzgeber bereits vor zehn Jahren möglich gewesen – vernünftige Gründe gegen eine solche Regelung hatte es von Anfang nicht gegeben.
Allerdings muss die Neuregelung zum Jobsharing in psychotherapeutischen Praxen noch einige Hürden nehmen. Sie versteht sich zunächst als ein Auftrag an die Entscheidungsträger im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Der G-BA wird eine Obergrenze der Steigerung festlegen. Naheliegend ist, dass sich diese an den altbekannten Ausführungen zur Vollauslastung einer psychotherapeutischen Praxis orientiert, also an 36 Stunden pro Woche (zuzüglich Vor- und Nacharbeiten).Wie Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, kann die Bearbeitung durch den G-BA allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Praxisverkäufe in überversorgten Gebieten

Die Praxisverkäufe in überversorgten Gebieten sollen ab einem Überversorgungsgrad von 140 Prozent weiter erschwert werden: Entsprechende Praxen sollen in der Regel nicht weitergeführt und die Praxisinhaber stattdessen mit dem objektiven Verkehrswert entschädigt werden. Nur ausnahmsweise kann – so die komplizierte Formulierung im Gesetzestext – die Fortführung nicht aus Versorgungsgründen nicht erforderlich sein.
Da die Psychotherapeuten von der Neuregelung überwiegend betroffen sind, sind die (legalen) Umgehungsmöglichkeiten interessant – vorsichtshalber auch für Praxen, die wegen hoher Auslastung damit rechnen können, über die neue hohe „Soll-Hürde“ zu kommen. Alle Verkäufer, die in ihrer Praxis mindestens drei Jahre lang mit einem Kollegen zusammenarbeiten, räumen die „Soll-Hürde“ aus dem Weg; dieser Prüfungsschritt entfällt dann zugunsten des Verkäufers. Die dreijährige Zusammenarbeit erfolgt insbesondere im Rahmen des Jobsharings, sei es in der arbeitsrechtlichen Variante (Anstellung) oder in der gesellschaftsrechtlichen Variante (Jobsharing-Berufsausübungsgemeinschaft). Neben der Überwindung der „Soll-Hürde“ dürfte mit der dreijährigen Zusammenarbeit zudem das Problem der Bewerberauswahl gelöst sein – auch wenn der Gesetzgeber die Medizinischen Versorgungszentren als Bewerber nun weiter gestärkt hat.

Neue Attraktivität des Jobsharings

In dieser Hinsicht zeigt sich deutlich die positive Seite der Jobsharing-Neuregelung: War bisher die Anbahnung des Praxisverkaufs für Verkäufer unattraktiv, weil sie in der Anbahnungsphase bis zum Verkauf ihren bisherigen Praxisumfang mit dem jungen Nachfolger teilen mussten, wird sich der Umsatz nun in der Regel steigern lassen. Freilich nicht bis zu einem Umfang von zwei Vollzeiteinkommen, sondern höchstens entsprechend zweier Halbtagstätigkeiten. Dennoch wird die Steigerungsmöglichkeit den klassischen Nachteil des Jobsharings in vielen Fällen zumindest mildern. Das ist insbesondere für Psychotherapeuten, die wegen unterdurchschnittlicher Umsätze um die Verwertung ihrer Praxen fürchten mussten, eine gute Nachricht.

Ausreichend Vorlauf bis zum Verkauf

Ein Wermutstropfen bleibt insofern, als der G-BA die Jobsharing-Neuregelung erst noch umsetzen muss – während die neue „Soll-Hürde“ sofort in Kraft tritt. Kritisch ist das neue Gesetz daher für alle Verkäufer, die in den kommenden Jahren verkaufen müssen, bevor die Drei-Jahres-Frist erfüllt ist. Ungünstig ist sie zudem für Praxen, die aufgrund der Drei-Jahres-Frist mit dem Jobsharing beginnen, aber bis nur Neuregelung durch den G-BA die „alte“ Umsatzdeckelung dulden müssen.
Strategisch ratsam ist daher nicht nur Jobsharing als solches, sondern eine deutlich längere Vorplanung. Pointiert gesagt: Sofern sich Praxen nicht jetzt schon in der Anbahnungsphase befinden, sollte der Verkauf möglichst nicht vor dem Jahr 2019, besser noch 2020 erfolgen. Bis dahin dürfte eine Jobsharing-Neuregelung durch den G-BA und auf dieser Basis eine dreijährige Zusammenarbeit erfolgt sein.

Schwierige Bedingungen für Verkäufe in den kommenden Jahren

Für die Psychotherapeuten, die in der Zwischenzeit verkaufen müssen, wird es allerdings schwierig. Sie müssen die neue „Soll-Hürde“ überwinden und sich, falls dies nicht gelingt, gegen vermutlich von den Kassenärztlichen Vereinigungen sehr niedrig angesetzte Entschädigungssummen wehren – und gegebenenfalls gerichtlich um den objektiven Verkehrswert streiten.

Jan Frederichs
Rechtsanwalt