Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 14. Dezember 2011 entschieden, dass beim Verkauf einer Kassenpraxis der Zulassungsausschuss den objektiven Verkehrswert ermitteln darf, der Kaufpreis gleichwohl auch darüber liegen darf und bei der Verkehrswertermittlung die sogenannte modifizierte Ertragswertmethode Anwendung finden kann. Inzwischen liegt die Urteilsbegründung vor.
Das SGB V beschneidet das Eigentumsrecht der Praxisverkäufer dahin gehend, dass nur das Verwertungsinteresse geschützt ist. Nicht geschützt ist das Interesse des Verkäufers, mehr als den objektiven Verkehrswert als Kaufpreis zu erzielen, und nicht geschützt ist auch das Interesse, an einen bestimmten Käufer zu verkaufen. Verkäufer trachten aber oft danach, genau dies auf Umwegen zu erreichen, und dies gelingt auch immer wieder. Deshalb war die Entscheidung des BSG durchaus interessant. Die Urteilsbegründung geht nicht allzu sehr in die Tiefe, ist aber weitgehend überzeugend.
Danach ist es Rechtslage, dass einerseits grundsätzlich ein höherer Kaufpreis als der objektive Verkehrswert erzielt werden darf, der Zulassungsausschuss aber andererseits berechtigt ist, den objektiven Verkehrswert auch gegen den Willen des Verkäufers zu ermitteln, um dies bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Dies darf er nur dann nicht, wenn der Verkäufer mit allen Bewerbern oder dem einen einzigen Bewerber bereits einen Kaufpreis vereinbart hat. Nicht zu entscheiden und mit der Urteilsbegründung auch nicht aufgegriffen, in der Praxis aber durchaus relevant ist die Frage, ob der Zulassungsausschuss den objektiven Verkehrswert ermitteln darf, wenn sich zwar mindestens ein Bewerber auf einen niedrigeren Verkehrswert beruft, der Verkäufer sich aber mit dem geeignetsten Bewerber auf einen Kaufpreis geeinigt hat.
Die Urteilsbegründung lässt aber nachfolgende Schlussfolgerung zu: Das Gemeinwohlinteresse, das es rechtfertigt, das Eigentumsrecht des Verkäufers einzuschränken, liegt nur darin, dass der geeignetste Bewerber der Käufer sein soll (sofern er mindestens den objektiven Verkehrswert zu zahlen bereit ist). Die weitergehende Auffassung des LSG BaWü, der geeignetste Bewerber müsse zudem vor einem über dem objektiven Verkehrswert liegenden Kaufpreis geschützt werden, fand dagegen erwartungsgemäß beim BSG keine Bestätigung. Vor diesem Hintergrund ist ein nachvollziehbares Interesse des Zulassungsausschusses, den objektiven Verkehrswert auch dann festzustellen, wenn der geeignetste Bewerber mit dem Verkäufer handelseinig ist, selbst dann nicht erkennbar, wenn weitere Bewerber zu einem niedrigeren Preis, von dem sie annehmen, er entspräche dem objektiven Verkehrswert, zu kaufen und die Praxis fortzuführen bereit sind. Da das BSG diese Variante nicht aufgegriffen hat, ist das »ermitteln dürfen« wohl grundsätzlich zu verstehen und einer weiteren als der in der Urteilsbegründung genannten Relativierung zugänglich, weil kaum eine sinnlose Amtsermittlung gemeint sein dürfte. Zur Ermittlung des Verkehrswertes beschränkte sich das BSG auf die Feststellung, dass, wenn mit Einschätzungen gearbeitet werde, diese einer nachvollziehbaren Begründung bedürften und – wie auch schon der BDH bei Praxisbewertungen in Scheidungsangelegenheiten – die modifizierte Ertragswerttheorie grundsätzlich geeignet sei.
RA Jan Friedrichs